Cigams Sündenfall
und holte einen Revolver hervor. Er schaute ihn für einen Moment an, bevor er wieder in die Schublade griff und das Zusatzteil, einen Schalldämpfer, auf die Mündung schraubte.
Nun legte er die Waffe wieder zurück, schloß die Lade aber nicht ganz.
Man konnte nie wissen…
Ronco war noch immer nicht da. Allmählich packte den Mann die Ungeduld. Er wollte schon nach seiner Waffe greifen und nachschauen, als er sah, daß sich die Türklinke nach unten bewegte und die Tür dann ganz aufgedrückt wurde.
Einen Moment später betrat sie den Raum.
Rawlins hatte etwas sagen wollen, auf einmal hatte er keine Stimme mehr. Was er da sah, war so unmöglich, daß er nicht mal mehr atmen konnte.
Da betrat eine fremde Frau den Raum. Er hatte sie noch nie gesehen.
Sie trug einen Mantel, darunter ein dunkles, enges Kleid, und sie zog etwas hinter sich her, das wie eine Puppe aussah und über den Boden schleifte.
Eine Puppe, die keine war, sondern ein Mensch, der blutete und einen klebrigen roten Streifen auf dem Boden hinterließ. Ein Mensch, den Frank Rawlins kannte – Ronco!
Er war tot.
Rawlins hatte dafür einen Blick, und als Mörder kam nur diese Frau in Frage, die stehengeblieben war und die Tür mit dem rechten Fuß wieder zukickte. Kaum war sie geschlossen, als sie auch das Handgelenk des Toten losließ. Dessen Arm prallte zu Boden. Regungslos blieb der Mann liegen, und zwar so, daß Rawlins auch die fürchterliche Wunde in der Körpermitte sehen konnte.
Das darf nicht wahr sein!, schoß es ihm durch den Kopf. Verdammt, das träume ich nur!
Er träumte es nicht, denn die Frau sprach ihn mit einer kalten Stimme an. »Sie sind Rawlins. Wo ist Costello?«
Er schwieg.
Die Unbekannte kam einen Schritt vor. »Wo ist Costello?«
Erst jetzt schrak Rawlins zusammen. Noch immer unter Schock stehend flüsterte er: »Nicht hier.«
»Wann kommt er zurück?«
»So schnell nicht mehr.«
»Was heißt das?«
»Er… er wollte London verlassen.«
»Auch das Land?«
»Ja.«
»Reist er nach Prag?«
Erst jetzt wurde Rawlins bewußt, was er getan hatte. Er hatte dieser unbekannten Killerin Rede und Antwort gestanden wie ein Schulbub der Lehrerin. Es hatte einfach an dem Schock gelegen, denn noch immer konnte er nicht so recht fassen, daß Ronco tot war.
Tot, brutal gekillt!
Rawlins schoß das Blut ins Gesicht. Seine Lippen zuckten, er spürte hinter der Stirn den Druck. Eine wahnsinnige Wut hatte sich in seinem Innern aufgestaut, und als er der Frau ins Gesicht schaute, da hatte er das Gefühl, dem perfekten Tod auf zwei Beinen gegenüberzusitzen.
Dabei interessierten ihn die Beine weniger, viel wichtiger war das glatte, faltenlose Gesicht mit den eiskalten Augen.
Frank Rawlins kannte sich in der Branche aus. Er wußte, wie grausam Gangster sein können, er hatte bei Morden zugeschaut, aber derartige Augen hatte er noch nie gesehen. Sie waren so etwas von kalt, daß allein ihr Anblick ihn frösteln ließ. Wenn er bisher noch Zweifel gehabt hatte, wer Ronco getötet hatte, jetzt waren sie ausgeräumt.
Perfekter konnte ein Killer nicht sein.
Ronco war tot, sollte er jetzt daran glauben?
Es fiel Rawlins schwer, seinen Blick von diesem Gesicht wegzunehmen und sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren. Er saß günstig, weit genug von der Schublade entfernt, in der die schallgedämpfte Waffe lag.
Mit einem Griff hatte er sie an sich genommen. Über den Schreibtisch hinweg richtete er die Mündung auf die normal dastehende Frau, die von dem Revolver nicht beeindruckt schien.
»Das war es dann wohl«, sagte der Mann. »Hast du ihn getötet?«
»Ja.« Ohne zu zögern, gab die Unbekannte diese Antwort. »Ich brachte ihn um.« Sie fügte auch gleich eine ›Erklärung‹ hinzu. »Es mußte sein.«
»Warum?«
»Weil er mich nicht zu dir lassen wollte.«
Rawlins stand kurz vor dem Durchdrehen. Diese Antworten waren so normal, und trotzdem redete dieses glatte Weibsbild hier von einem Mord, als hätte sie sich in einem Schnell-Imbiß eine Suppe bestellt. Das überriß er nicht. Er war auch nicht in der Lage, den Bogen weiter zu spannen, denn irgendwo war sein Denken blockiert.
»Wo und wie komme ich an Costello heran?«
Bei Rawlins brach der Damm. »Verdammt noch mal, du killende Nutte. Ich bin es leid. Es gibt für dich keinen Costello, und es wird für dich nie einen geben.« Er sprang in die Höhe, ohne seine Waffe aus der Hand zu legen. »Für dich gibt es einzig und allein nur den Tod. Hast du verstanden?« Sie
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