Cinderella kehrt zurück
dabei hoffentlich eine Hilfe. Na ja, egal, wie du dich entscheidest, sprich bitte mit Cam, bevor er bei der Polizei kündigt, okay? Es wäre doch schade, wenn er völlig umsonst seinen geliebten Beruf an den Nagel hängt.“
Eden nickte.
„Ich melde mich dann morgen wieder“, sagte Eve.
„Danke“, erwiderte Eden. „Es tut mir leid, dass du meinetwegen so lange wach geblieben bist.“
Eve machte eine wegwerfende Handbewegung und stieg ins Auto.
Im Haus ließ Eden sich auf das Wohnzimmersofa fallen. Dann begann sie ernsthaft darüber nachzudenken, ob sie sich Cam gegenüber richtig verhalten hatte.
Natürlich hatte sie sich schrecklich gefühlt, als sie ihn zurückgewiesen hatte – aber wenn sie an Alika dachte und daran, wie er ums Leben gekommen war, wusste sie wieder, warum sie so reagiert hatte.
Allerdings wusste sie genau, was Cam und Eve dazu sagen würden: dass Northbridge nicht mit Honolulu zu vergleichen war und Cam nicht mit Alika.
Aber ob das wirklich so viel ausmachte?
Eden versuchte, ganz unvoreingenommen an die Sache heranzugehen. Was Eve ihr über ihre Nachforschungen in der Bibliothek erzählt hatte, beeindruckte Eden. Wenn in Northbridge bisher noch kein einziger Polizeibeamter im Einsatz ums Leben gekommen oder schwer verletzt worden war, warum sollte Cam dann unbedingt der Erste sein? Und sie hatte ja selbst mitbekommen, wie ruhig es hier normalerweise zuging. Cams Aufgabe schien in erster Linie darin zu bestehen, den Einwohnern behilflich zu sein: einen entlaufenen Bullen einzufangen oder jemandem eine Pizza vorbeizubringen. Beides hatte er schon getan und dazu noch gern.
Auch das mochte sie so an ihm: Er war hilfsbereit und hatte Verständnis für die Probleme anderer Menschen.
Das hatte sie während des Gesprächs mit ihrem Großvater mitbekommen … und einige Tage später bei Celeste. Er hatte sich absolut freundlich, geduldig und tolerant verhalten. Auch vor vierzehn Jahren war er schon so gewesen – sonst hätte er sich ihre spitzen Bemerkungen während der Nachhilfestunden ganz bestimmt nicht einfach so gefallen lassen.
Und wenn er sich schon als Teenager so gut im Griff gehabt hatte, dann konnte ihn jetzt bestimmt fast nichts mehr aus der Ruhe bringen. Und genau das würde ihm in vielen gefährlichen Situationen zugute kommen.
Aber nicht in allen, erinnerte sie sich, als ihr wieder einfiel, dass er in Detroit einmal angeschossen worden war. Wer bei der Polizei war, wusste eben nicht immer, was als Nächstes auf ihn zukommen würde. Der Job war nicht ungefährlich, egal, wo Cam arbeitete. Es konnte immer etwas passieren, selbst wenn er noch so vorsichtig war.
Konnte Eden mit diesem Restrisiko umgehen? Das war die Frage, die sie sich jetzt stellen musste.
Schon wenn sie darüber nachdachte, verkrampfte sie sich am ganzen Körper. Leicht würde ihr das jedenfalls nicht fallen, so viel stand fest.
Es geht aber nicht darum, ob es mir leichtfällt, dachte sie. Es geht darum, ob ich damit umgehen kann.
Dass Cam ihretwegen einen anderen Job annahm, kam für sie nicht infrage. Was sollte sie ihm jetzt bloß sagen? Dass sie nicht mit ihm zusammen sein konnte, egal, welchen Beruf er hatte?
Das würde bedeuten, dass sie ihm nie wieder so nahe kommen durfte, wie sie ihm Samstagnacht gekommen war. Und sie hatte seitdem schrecklich gelitten, fast so sehr wie nach Alikas Tod. Unwillkürlich musste sie daran denken, dass sie damals alles getan hätte, um Alika wieder lebendig zu machen. Natürlich war das völlig unmöglich gewesen. Bei Cam war es allerdings anders: Wenn sie nur damit umgehen könnte, dass er bei der Polizei war, könnte sie wieder mit ihm zusammen sein.
Eden stand auf, ging zur Haustür zurück, öffnete sie und steckte den Kopf heraus.
Sie hörte nichts. Keine Polizeisirenen, keinen Verkehr, einfach nichts.
Und Eve hatte ihr erzählt, dass Cam jetzt Dienst hatte.
Wahrscheinlich saß er gerade in seinem Büro und kümmerte sich um Papierkram. Oder aber er fuhr im Streifenwagen durch die ruhigen Straßen, die ihre Schwester und sie eben noch entlanggegangen waren.
Eden fand die Vorstellung beruhigend.
Und nach dem Dienst kommt er zu mir nach Hause …
Das wünschte sie sich so sehr, dass sie den Gedanken daran kaum aushalten konnte.
Sollte sie also das Risiko auf sich nehmen? Akzeptieren, dass sie sich wahrscheinlich immer wieder um ihn sorgen würde? Sich gleichzeitig sagen, dass sie in dieser verschlafenen Kleinstadt nicht halb so viel Anlass zur Sorge
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