Cinderellas letztes Date
auch egal, was du tust. Wir haben schließlich nur rein geschäftlich miteinander zu tun.“ Er warf ihr einen kalten, abschätzigen Blick zu, der ihr wie seine Bemerkung ins Herz schnitt. „Hat Owen White wenigstens zu unseren Ermittlungen beitragen können?“
„Nein. Er wusste nichts von einem väterlichen Verehrer oder wütendem Ex im Casino.“
„Hm … Wenigstens hattest du einen schönen Abend. Das war ja nicht zu übersehen.“ Er ließ den Motor an. „Bevor ich es vergesse … Professor Quentin ist zwar ein lüsterner Mann in den besten Jahren, aber als potenziellen väterlichen Freund deiner Schwester können wir ihn endgültig von der Liste streichen. Der Croupier hat sich gestern noch bei mir gemeldet. Er hat Quentin nie zuvor gesehen. Ebenso wenig wie Andrew, Seth oder Vincent. Clarissas aufgebrachter Bekannter aus dem Casino ist folglich ein neuer Mann im Mörderrätsel. Wir sind also noch lange nicht am Ziel.“ Er stellte die Automatik auf Drive, und bevor Ruby ihn aufhalten konnte, fuhr er ihr und seinen Gefühlen erneut davon.
Ruby stampfte mit dem Fuß auf. Das durfte nicht wahr sein! Wie konnte Billy sich nur so bockig aufführen. Aber wenn er dachte, sie liefe ihm nach, irrte er sich. Es reichte ihr, neun Jahre dem falschen Kerl nachgehangen zu haben. Jetzt, da sie sich von Owen befreit hatte, verrannte sie sich nicht sofort in den nächsten Liebes-Schlamassel.
Verletzt, traurig und wütend fuhr sie zurück ins Studentenwohnheim und begann mit den Vorbereitungen für ein Referat, das sie in sechs Wochen halten sollte. Doch sie konnte sich nicht konzentrieren. Einerseits weil ihre Mitbewohnerin Emma laut telefonierte, aber hauptsächlich, weil ihre Gedanken immer wieder zu Billy abschweiften. Sie ärgerte sich über ihn und über sich, weil sie sich über ihn ärgerte. Ach, verdammt!
„Ich geh kurz raus an die frische Luft“, sagte sie zu Emma. „Wenn jemand für mich vorbeikommt, sag ihm, ich bin auf dem Handy zu erreichen.“
„Wer soll denn vorbeikommen?“ Emma hielt die Sprechmuschel ihres Handys zu und grinste verschmitzt. „Der süße Cop, mit dem du in letzter Zeit dauernd abhängst?“
„Nein“, erwiderte Ruby. Obwohl Emma absolut richtig lag. „Ich meine nur so … Kann ja sein, dass mich jemand spontan besuchen will.“
„Spontan … Schon klar.“ Emma grinste wieder. Sie ließ sich nicht so einfach was vormachen. „Hattet ihr Stress?“
„Willst du nicht weitertelefonieren?“, konterte Ruby und verließ das Zimmer.
Sie fuhr den ganzen Vormittag auf ihrer Suzuki ziellos durchs Umland von Ashbury, bis sie Lake Fulton erreichte. Sie parkte das Motorrad und wanderte zu der Stelle, an der Clarissa starb. Lange betrachtete sie den Baum, an dem ihre Schwester gehangen hatte. Sie legte die Arme um den Stamm und versuchte, sich Clarissas letzte Minuten vorzustellen. Hatte ihre Schwester die Absichten des Täters erkannt und sich trotz ihres benebelten Zustands gewehrt? Oder war sie eingelullt im Rausch sanft ins Jenseits hinübergeglitten, ohne allzu sehr zu leiden?
Sie musste an die tote Clarissa in der kalten Leichenhalle denken und schüttelte den Kopf. Nein, so wollte sie ihre Schwester nicht in Erinnerung behalten. Als zerstörte Schönheit, deren Leben viel zu früh geendet hatte. Sie rief sich glückliche Momente ins Gedächtnis. Ihre Kindergeburtstage, Teenager-Partys, Urlaube mit den Eltern, Clarissas erster Tag an der Kunstschule.
Auch wenn Ruby Clarissas Schattenseite nicht verstehen konnte und erschreckend fand, ihre Sonnenseite hatte sie geliebt. Ihre Schwester hinterließ eine Lücke, die niemand jemals würde schließen können.
Ruby wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Wenn sie den Mistkerl erwischte, der ihrer Schwester das angetan hatte, würde sie ihn umbringen. Doch dafür musste sie ihn erst einmal aufspüren. Und was die Tätersuche anging, tendierten ihre Nachforschungen gen null.
Resigniert blickte sie hinaus auf den See. Würde sie jemals herausfinden, wer Clarissas väterlicher Verehrer und der junge Heißsporn im Casino waren? Und hatten die beiden für ihre Ermittlungen überhaupt Bedeutung? Gut möglich, dass sie mit Clarissas Tod nichts zu schaffen hatten. Und wenn es einer der anderen war? Sollte sie Seth, Andrew, Vincent und Owen beschatten? Melanie unter Druck setzen? Ein Geständnis erzwingen? Wie sollte sie all diese Aufgaben bewältigen? Es gab doch nur sie und Billy. Und an den mochte sie im Moment nicht denken.
Sie
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