Circus
Gesprächs kam uns beiden derselbe häßliche Verdacht.«
»Daß mein Büro verwanzt ist?«
»Wenn es so wäre, würde das eine Menge Dinge erklären.«
»Aber warum die Zettel? Warum haben Sie mich nicht angerufen und vorgewarnt?« Harper lächelte ihn schweigend an, und Wrinfield faßte sich an den Kopf. »Das war nicht besonders intelligent: Natürlich wäre es auch möglich, daß eine Wanze im Telefon steckt.«
»Sie haben es erfaßt. In ein paar Minuten wird ein weiterer Anwärter auf den annoncierten Posten erscheinen. Er heißt Dr. Morley und wird die übliche schwarze Arzttasche dabeihaben. Aber er ist kein Arzt, er ist Elektronikexperte, und seine Tasche enthält die neuesten Geräte zur Aufspürung von Abhörvorrichtungen. Wenn er zehn Minuten in Ihrem Büro verbracht hat, wissen wir, ob es sauber ist oder nicht.«
Fünfzehn Minuten später, als Wrinfield und Harper auf dem Rückweg zu Wrinfields Büro waren, kam ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann mit einer schwarzen Tasche heraus und stieg die Stufen herunter. Im Hinblick auf eventuelle Zuschauer oder Lauscher machte Wrinfield die beiden Männer miteinander bekannt und schlug vor, zu dritt einen Kaffee in der Kantine zu trinken. Sie ließen sich an einem etwas abgelegenen Tischchen in einer Ecke nieder.
»Zwei Wanzen«, sagte Morley. »Miniatursender. Einer in der Deckenlampe und der andere im Telefon.«
»Dann kann ich jetzt also wieder beruhigt atmen«, meinte Wrinfield. Als keiner der beiden anderen antwortete, fragte er unsicher: »Die beiden Geräte sind doch sicher entfernt oder unbrauchbar gemacht worden?«
»Aber natürlich nicht«, protestierte Harper. »Die Wanzen sind immer noch an ihren Plätzen, und dort werden sie auch bleiben – wahrscheinlich bis zu unserer Rückkehr aus Europa. Meinen Sie vielleicht, wir wollen, daß unsere Gegner erfahren, daß wir Bescheid wissen? Denken Sie doch an die vielen falschen und verwirrenden und irreführenden Informationen, mit denen wir sie auf diese Weise versorgen können.« Man sah Harper an, daß er sich innerlich die Hände rieb. »Von jetzt an werden Sie in diesem Büro nur noch Ihre normale Routinearbeit erledigen.« Er lächelte beinahe verträumt. »Natürlich nur, wenn ich Ihnen nicht gegenteilige Instruktionen gebe.«
In den folgenden Tagen beschäftigten die Circusleute immer mehr und zuletzt ausschließlich vier Themen.
Das erste war natürlich die bevorstehende Europatournee, die eine ständig wachsende Euphorie hervorrief, allerdings nicht unter den Leuten, welche die Reise nicht mitmachen, sondern ins Winterquartier nach Florida gehen würden. Aus rein organisatorischen Gründen würden nur zwei Drittel der Belegschaft die Reise mitmachen können. Aber diese zwei Drittel betrachteten die Tournee – vor allem, da sie zwei Seereisen mit einschloß – quasi als Urlaubsreise. Ein ausgesprochen anstrengender Urlaub zwar, sobald sie von Bord des Ozeandampfers gehen würden, aber das dämpfte die Stimmung nicht sonderlich. Etwa die Hälfte der Leute waren Amerikaner, von denen die meisten noch nie in Europa gewesen waren – teils aus finanziellen Gründen und teils, weil die Circussaison so lang war, daß sie nur drei Wochen Urlaub im Jahr hatten und den noch dazu in der falschen Jahreszeit: im Winter. Und für sie würde diese Reise vielleicht ein einmaliges Erlebnis sein. Die übrigen Angehörigen des Circus waren hauptsächlich Europäer, größtenteils von der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, und auch für sie würde diese Tournee wahrscheinlich ein einmaliges Erlebnis sein, da sie ihnen Gelegenheit bot, ihre Heimat und ihre Verwandten wiederzusehen.
Das zweite Thema war Harpers nicht gerade hochgeschätzte Tätigkeit, bei der ihm zwei vorübergehend eingestellte, ausgebildete Krankenschwestern zur Seite standen. Ihre Unbeliebtheit war beträchtlich. Harper war rigoros bis zur Rücksichtslosigkeit, und wenn es um Impfungen ging, dann schlüpfte niemand durch die Maschen des großen Netzes, das er ausgeworfen hatte. Circusleute sind unzweifelhaft zäher und durchtrainierter als der Durchschnitt der Menschheit, aber wenn es um die Aversion gegen Injektionen, Schnitte und konsequent schmerzende Arme geht, dann unterscheiden sie sich nicht von allen anderen.
Das dritte Thema waren zwei merkwürdige Vorgänge. Der erste war die Patrouille, die die Schlafquartiere die ganze Nacht nicht aus den Augen ließ. Niemand glaubte im Ernst an die Erklärung, daß bei der Polizei
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