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Circus

Circus

Titel: Circus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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auf Veranlagung beruhte oder auf der Einsicht, daß er es nicht nötig hatte, zu irgend jemandem unfreundlich zu sein. Manuelo, das mexikanische Messerwerfer-Genie, stand hinter dem Tresen einer Bude und beobachtete wohlwollend eine ganze Anzahl von Jungen und Junggebliebenen, die mit Gummimessern nach beweglichen Zielen warfen. Ab und zu verließ er seinen Platz und warf mit beiden Händen gleichzeitig sechs Ziele in drei Sekunden um, um seinen Kunden zu zeigen, daß wirklich nichts dabei war. Er begrüßte Maria mit typisch südländischem Enthusiasmus und versicherte ihr, er würde während ihres Aufenthaltes beim Circus stets zu ihren Diensten stehen. Ein kleines Stück weiter begrüßte Ron Roebuck sie ernst, aber freundlich. Als sie weiterging, kam plötzlich eine Lassoschlinge über ihr herunter, berührte kaum den Boden, stieg wieder hoch und verschwand, ohne auch nur einmal ihre Kleidung berührt zu haben. Sie drehte sich um und strahlte Roebuck an, und nun machte auch er kein ernstes Gesicht mehr.
    Als Henry und Maria sich Brunos Minitheater näherten, kam er gerade heraus. Er trug wieder die Mandarinrobe und sah nach gar nichts aus. Henry stellte ihn Maria vor, und Bruno sah sie mit zurückhaltender Bewunderung an. Zunächst war sein Gesicht ausdruckslos wie immer, aber dann lächelte er plötzlich, was seine Züge in verblüffendem Maße veränderte.
    »Willkommen beim Circus«, sagte er. »Ich hoffe, Ihre Zeit bei uns wird schön für Sie.«
    Sie erwiderte sein Lächeln. »Ich danke Ihnen. Es ist eine große Ehre für mich. Sie – Sie sind der Star des Programms, nicht wahr?«
    Bruno deutete zum Himmel hinauf. »Die Sterne sind da oben, Miß Hopkins. Hier unten gibt es nur Darsteller. Wir alle tun, was wir können. Manche von uns haben das Glück, spektakulärere Nummern zu haben als andere, das ist alles. Entschuldigen Sie mich. Ich muß mich beeilen.«
    Maria schaute ihm nachdenklich nach. »Nicht ganz, was Sie erwartet haben, was?« fragte Henry amüsiert.
    »Nein, nicht ganz.«
    »Enttäuscht?«
    »Ein bißchen schon.«
    »Heute abend werden Sie es vergessen. Seine Nummer hat noch niemanden enttäuscht.«
    »Stimmt es, daß er und seine Brüder völlig blind arbeiten?«
    »Ja, das stimmt. Aber Sie werden merken, daß Bruno die unsichtbaren Fäden in der Hand hat. Er ist der Koordinator und der Fänger. Vielleicht haben die Brüder eine telepathische Begabung, ich weiß es nicht. Und auch sonst scheint es niemand zu wissen. Und wenn Bruno und seine Brüder es wissen, so verraten sie es nicht.«
    »Vielleicht ist es auch etwas anderes.« Sie deutete auf das Spruchband ›Der Große Mentalist‹. »Es heißt, er habe ein fotografisches Gedächtnis und könne Gedanken lesen.«
    »Ich hoffe nur, er hat vorhin nicht die Ihren gelesen.«
    »Und er könne den Inhalt verschlossener Briefumschläge lesen. Wenn er durch Papier sehen kann, wieso sollte er dann nicht durch eine Augenbinde sehen können?«
    Er sah sie erstaunt an. »Miß Hopkins, Sie haben nicht nur ein hübsches Gesicht. Wissen Sie, dieser Gedanke ist mir tatsächlich noch nie gekommen.« Er dachte einen Augenblick nach, gab aber schnell auf. »Kommen Sie, wir wollen uns auf unsere Plätze setzen. Gefällt Ihnen das, was Sie bisher gesehen haben?«
    »Sehr.«
    »Irgend etwas besonders?«
    »Ja. Daß alle so schrecklich nett und höflich sind.«
    Henry lächelte. »Wir sind ja schließlich keine Wilden.« Er nahm ihren Arm und führte sie in die riesige Halle. Seine blaustrümpfige Verlobte war nicht einmal mehr ein Wölkchen an seinem rosafarbenen Horizont.
    Es gab in diesem Augenblick aber doch jemanden im Circus, der weder schrecklich nett noch höflich war, aber der Admiral war schließlich kein Angehöriger des Circus, und er war es nicht gewöhnt, daß man sich seinem Willen widersetzte. Außerdem hatte er einen langen, frustrierenden Tag hinter sich, und im Laufe desselben hatte er seine übliche Herzlichkeit völlig verloren.
    »Ich glaube, Sie haben mich nicht richtig verstanden«, sagte er mit unheilschwangerer Beherrschung.
    »Aber Sie müssen mich verstanden haben.« Der Bühnenausgang war schlecht beleuchtet, und draußen war es sehr dunkel, und es regnete immer noch, und außerdem waren Johnnys Augen nicht mehr die besten. Und so hatte der Nachtwächter den Admiral nicht erkannt. »Der Eingang für das Publikum ist dort hinten. Verschwinden Sie.«
    »Sie sind verhaftet«, sagte der Admiral unvermittelt. Er wandte sich an die

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