City of Death - Blutiges Erbe (German Edition)
Strecke hatten wir bereits hinter uns. Liam hatte sich erstaunlich schnell zu der Fahrt überreden lassen, was er, wie ich vermute, deshalb tat, um sich bei den Rangern in ein besseres Licht zu rücken, denn, seien wir mal ehrlich, er hatte keinen besonders guten Start hingelegt. Er redete mit mir, als wäre nie etwas geschehen, war nett und höflich wie immer. Dennoch traute ich ihm nicht weiter, als ich ihn werfen konnte, was in meinem Fall also Null war. Vampire sind von Natur aus sehr nachtragend, deshalb kaufte ich ihm seine freundliche Nummer nicht ab und hielt mich immer möglichst in Wills und Andres Nähe auf. Sicher war sicher!
Die Vampire teilten sich einen Vierersitz, ich hatte mich eine Reihe weiter gesetzt, um meine Ruhe zu haben. Ich simste fast die gesamte Fahrt über mit Stacy, die gern mitgekommen wäre, sich von Andre und mir aber umstimmen ließ. Punkt 23 Uhr fuhren wir im Frankfurter Hauptbahnhof ein, wo uns auch schon Albertos Männer erwarteten. Die vier Vampire fingen uns ab, kaum dass wir aus dem Zug gestiegen waren, und musterten unsere kleine Truppe misstrauisch.
»Unser Meister hat nur Mrs. Olsen eingeladen«, sagte einer der Vampire mit gerunzelter Stirn. Er war ein braunhaariger Riese und starrte drohend zu mir herunter.
Kurz bevor wir losgefahren waren, hatte ich angemerkt, dass es klüger gewesen wäre, Alberto über unseren kleinen Aufmarsch zu informieren, anstatt einfach so mit der Tür ins Haus zu fallen. Doch die Vampire wollten ihn so lange im Dunkeln zu lassen, bis wir in Frankfurt am Main waren, denn Andre hatte damals gemeint, dass Alberto die Erlaubnis hätte, alle zu töten, die mich begleiteten, hätte er ein Verbot ausgesprochen und sie wären dennoch mitgekommen.
»Ich wusste nicht, dass die Einladung nur mir galt. Das ist meine Leibgarde«, sagte ich und lächelte höflich zu dem Vampir auf.
Die Männer wechselten einen Blick, dann bedeuteten sie uns, ihnen zu folgen. Auf dem Parkplatz des Bahnhofs wartete eine weiße Limousine auf uns, was uns alle vier die Stirn runzeln ließ. Ich sah zu Will, erntete ein ratloses Schulterzucken und stieg als Erste ein.
Zwanzig Minuten später führte uns die vierköpfige Eskorte durch den wunderschönen Rosengarten meiner Mutter. Je näher wir der Villa kamen, desto unwohler fühlte ich mich. Außerdem begannen meine Hände zu zittern.
»Alles in Ordnung?«, fragte Will, der neben mir ging.
Ich nickte ihm zu, doch er wusste, dass ich log. Wie alle Vampire konnte er meine Nervosität riechen. Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich überhaupt einen Fuß in das Haus setzen wollte. Ich wurde langsamer und blieb schließlich stehen.
»Mein Meister erwartet Sie in der Villa«, sagte der Braunhaarige und bedeutete mir weiterzugehen.
Ich atmete einmal tief durch und folgte ihm. Drinnen war es ruhig, sehr ruhig. Keine Felicitas, die munter herumputzte, und auch von Sunnyboy Chane und dem unfreundlichen Darrel war keine Spur zu entdecken. Die Villa war totenstill, und das machte mir Angst.
Alberto wartete im Wohnzimmer auf uns. »Mrs. Olsen«, sagte er mit einem kurzen Nicken, als ich eintrat. Er war vollkommen in Schwarz gekleidet und hatte seinen beträchtlichen Bauch unter einem schwarzen Mantel versteckt. Er sah aus, wie auf einer Trauerfeier.
Ich schluckte.
»Ich bedaure, dass wir uns unter solch tragischen Umständen wiedersehen müssen.» Seine Stimme war emotionslos und kalt, genau wie sein Blick.
Ich war mir nicht sicher, ob er überhaupt imstande war, so etwas wie Trauer zu empfinden.
»Wie ich Ihnen bereits am Telefon mitteilte …« Er stockte, als Will, Andre und Liam hinter mir eintraten.
Ich bildete mir kurz ein, so etwas wie Überraschung in seinen Augen zu sehen, war mir aber nicht sicher. Albertos Gesichtsausdruck wirkte gewohnt emotionslos. »Mr. Drake, Mr. Higgs, was verschafft mir die Ehre? Und wer ist Ihr unbekannter Begleiter?«
Hörte ich da einen Anflug von Missbilligung?
»Ich bin Liam Healy, neuer Ranger von Bereich 6. Wir sind hier auf Bitten von Mrs. Olsen.«
»Ich verstehe nicht ganz«, wandte sich Alberto mit einem verständnislosen Gesichtsausdruck an mich. »Habe ich Sie in irgendeiner Weise bedroht?«
Die Frage sollte harmlos klingen, aber ich arbeitete schon lange genug mit Vampiren zusammen, um zu wissen, dass sich ein tieferer Sinn dahinter verbarg. Was er nämlich eigentlich wissen wollte, war, ob ich seinem Versprechen auf freies Geleit nicht traute.
»Ganz im Gegenteil«,
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