City Vampire - Frankfurt im Morgengrauen
mich. Kommen Sie doch in Ihrer Mittagspause kurz in mein Büro. Es ist gleich um die Ecke.“ Sie zog eine Visitenkarte hervor und reichte sie ihm. „Es wird ganz schnell gehen.“ Sie machte kehrt und ging zur Ladentür zurück. Als sie sie aufzog und erneut der 'Messias' erklang, drehte sie sich noch einmal um. „Ich erwarte Sie.“
Kapitel 12
Lara saß an ihrem Schreibtisch und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf der Tischplatte, während sie auf das Eintreffen des Schneiders wartete. Sie konnte es überhaupt nicht leiden, wenn Leute, die die Möglichkeit hatten, etwas zu tun, sich hinter fadenscheinigen Ausreden und der Menge ihrer Arbeit zu verstecken versuchten – und das nur, weil sie keine Lust hatten, weil es ihnen Umstände machte. Angst, ja, Angst konnte sie verstehen. Aber der Schneider hatte keine Angst gehabt. Die ganze Sache hatte nur gerade nicht in seinen Tagesplan gepasst.
Ein Signalton ihres Smartphones riss sie aus ihren Gedanken. Eine SMS.
Haben Sie den Knopf-Träger schon dingfest gemacht?
Lara schmunzelte. Vampire waren doch unsterblich und hatten die Ewigkeit für sich. Weshalb war er denn so ungeduldig? Und warum war er überhaupt wach um diese Tageszeit? Sie antwortete:
Ich bin dran. Aber s ollten Sie nicht schlafen – während ich arbeite?
Prompt reagierte Janus:
Einschlafstörungen. Eine bezaubernde Frau und ihr Job halten mich wach.
Lara spürte, wie sich ihre Wangen röteten. Schon wieder. Wieso machte sie dieser Mann nur so nervös? Sie war sich mittlerweile sicher, es lag nicht daran, dass er ein Vampir war. Viele ihrer Vorurteile hatten sich als unwahr erwiesen, darüber hinaus war Janus von Marten eine ehrliche Seele, das spürte sie zweifelsfrei. Also musste es etwas anderes sein, das sie so verlegen machte …
Vielleicht hilft eine warme Milch mit Honig? , scherzte sie.
Oder eine kalte Dusche …, konterte er.
Sie kicherte leise. Plötzlich klingelte das Bürotelefon und Julia teilte ihr mit, dass Herr Campagnini eben eingetroffen war.
Mein Termi n ist da. Ich melde mich später, tippte sie eilig.
Dann legte Lara ihr Smartphone weg und ließ den Schneider hereinbitten.
„Frau Winter “, begrüßte sie der Besucher mit höflichem aber distanziertem Lächeln, als er eintrat. „Ich komme wegen des Phantombildes.“
„Ich danke Ihnen “, entgegnete Lara mit derselben Höflichkeit. „Lassen Sie uns gleich beginnen.“
Sie wies auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch und Tonio Campagnini nahm Platz. Dann drehte Lara den Monitor ihres Computers ein Stück herum, sodass er ebenfalls darauf schauen konnte. Sie rief das Programm auf, das ihr bei der Erstellung des Phantombildes helfen würde und die Arbeit konnte beginnen.
Wie sich herausstellte, war Tonio Campagnini der beste Augenzeuge, den man sich für eine Personenbeschreibung wünschen konnte. Mochte er auch zu Beginn nicht sonderlich hilfsbereit gewesen sein, so besaß er doch eine gute Beobachtungsgabe und verfügte zudem über ein hervorragendes Gedächtnis.
„Beginnen wir mit den Augen “, entschied Lara. Sie rief einige Bilder auf, lauter Augenpaare in verschiedenen Formen, mal weit auseinander stehend, mal enger beieinander.
Der Schneider tippte mit dem Finger auf eines davon. „Etwa so “, sagte er. „Und sie waren sehr dunkel.“
Lara tippte die entsprechenden Befehle auf ihrer Tastatur ein und das Augenpaar wanderte zu einem leeren Blatt auf der linken Seite des Monitors.
„Die Nase war groß und markant “, erklärte Tonio Campagnini. „Wie ich ja heute Morgen schon sagte.“
Ah a, ein bisschen eingeschnappt ist er immer noch, dachte Lara amüsiert.
Sie rief verschiedene Nasenmodelle auf, doch Tonio Campagnini schüttelte unzufrieden den Kopf. „Nein“, widersprach er, „seine Nase war anders. Etwa so.“ Er griff nach einem Zettel von Laras Notizblock, der auf ihrem Schreibtisch stand und angelte sich einen Bleistift aus dem Stifthalter. Dann begann er zu zeichnen.
Erstaunt hob Lara die Augenbrauen. Vielleicht hätte sie ihm gleich Papier und Bleistift in die Hand drücken sollen ? Lara wählte eine Nase, die der von Tonio Campagnini gezeichneten einigermaßen nahe kam, und zog sie mittels ihres Computerprogramms ein wenig in die Breite. Der Schneider grunzte zufrieden, als Lara ihm ihr Werk zeigte.
„Gut“, überlegte sie dann, „jetzt der Mund.“
Ihr Besucher tippte mit dem Finger auf ein paar schmale, aber gleichmäßige Lippen inmitten vieler weiterer Formen; von
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