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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
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Versager soll mir nur kommen .« Clara blickte zu Boden. Es wäre jetzt sehr unklug
gewesen, ihm die Wahrheit zu sagen. Ihm zu sagen, dass er eben gerade das nicht
beabsichtigte. Zumindest, solange sie beide am Leben waren. Nein, es wäre
wirklich nicht sehr klug gewesen. Aber sie hatte ja die Pistole. Sollte sie es hinter
sich bringen? Jetzt gleich? Solange die Sache noch nicht eskalierte? Ein
Gericht würde sie womöglich wegen Mordes belangen. Und dann würde sie lediglich
das Gefängnis wechseln. War es das, was Michael in Wirklichkeit wollte? Sie
völlig legal hinter Gitter bringen? Burger riss sie jäh aus ihren Gedanken.
    »Mich
interessiert viel mehr, warum du hier bist«, begann er. »Lösegeld hat er ja
nicht verlangt. Nach den Klamotten und dem Schminkzeug im Kasten zu schließen,
benötigt er dich für andere Dienste. Der Lumpenhund. Trauert jahrelang in der
Öffentlichkeit seiner Alten nach. Verschließt sich vor der Welt. In
Wirklichkeit aber …« Burger schlug die Augenlider hoch und zwinkerte ihr
anzüglich zu. Sie wusste genau, was er gerade dachte. » Wenn Gruber sich schon
bedient hat, kann ich das ja auch machen. Die kommt hier sowieso nicht mehr
lebend raus . « Clara schoss pure Angst in den Kopf. Ihre Atmung setzte kurz aus. Ihr wurde
leicht schwindlig. Vergewaltigung! Wie ein Damoklesschwert hing dieses Wort
über ihr.
    »Michael
Gruber ist ein Schwein, wie Sie ganz richtig bemerkten. Aber er hat mich
niemals angefasst. Niemals auch nur den Versuch gestartet. So viel Anstand
besitzt er dann doch .« Sie hoffte, mit dieser Aussage
auch Burger die Schranken hochzuziehen. Doch der sah das anders.
    »Wenn er es
nicht getan hat, ist er noch viel dümmer, als ich ihn ohnehin eingeschätzt
habe«, sagte er bedrohlich leise in Claras Richtung. Sie begann, wieder zu
zittern. Nur zwei Schritte, und sie würde an die Waffe
gelangen. Nur zwei Schritte.

 
    4

 
    Burger ahnte
nichts von diesen Gedanken.
    »Mach mir
etwas zu essen !« , rief er zu Clara, die sich
inzwischen mit einem Buch auf die Bettkante gesetzt hatte. Unfähig, etwas zu
lesen. Unfähig, die Bedrohung aus dem Kopf zu bekommen. Und nun auch das noch.
Demonstrativ blätterte sie eine Seite um und antwortete, ohne Burger anzusehen.
    »Sie wissen
ja, wo alles steht .« Burger erhob sich. Clara spürte,
wie der Puls gegen ihre Halsschlagader pochte.
    »Ich habe
dich nicht gefragt, wo das Zeug zu finden ist. Ich habe dir gesagt, dass du mir
etwas zu essen machen sollst !« Alles krampfte sich in
ihr zusammen. Sie wusste, dass sie hier keine Chance hatte. Dennoch. Sie
trotzte ihm.
    »Wir müssen
mit den Lebensmitteln sparen. Wer weiß, wann Gruber wiederkommt. Außerdem bin
ich nicht Ihre Köchin .« Burger machte einen flinken
Satz nach vorn und baute sich nun direkt vor ihr auf. Im nächsten Moment
schnellte seine linke Pranke in ihr Genick, umfasste es und zog sie hoch. Mit
angstgeweiteten Augen blickte sie in seine mörderische Fratze. Kein Funken
Menschlichkeit war darin zu lesen. Nur seine wulstigen Augen, seine wulstige
Nase und seine wulstigen Lippen. Ein wahres Scheusal mit fettigem schwarzem
Haar. Jede einzelne Furche in seinem Antlitz sprach von Gewalt und Grausamkeit.
Unbarmherzig drückte er ihren Nacken. Einem Schraubstock gleich.
    »Du wirst
mir jetzt etwas zu essen machen. Verstanden?« Clara nickte. Sie hatte
verstanden. Und sie sehnte sich nach Michaels Gesellschaft, dessen Bösartigkeit
wenigstens nur psychischer Natur war. Burger ließ sie langsam los und schubste
sie in Richtung Vorratsschrank. Verstört und zittrig holte sie den Gaskocher
heraus, entzündete ihn und setzte einen kleinen Topf mit Wasser auf. Dann
rührte sie die Fertigmischung ins kochende Wasser, achtete darauf, dass nichts
anbrannte, und verteilte die Hälfte der fertigen Mahlzeit schließlich auf einen
Teller. Da nur ein Teller da war, würde sie eben aus dem Topf essen. Burger
runzelte angesichts der geringen Menge die Stirn. Clara begann zu essen. Nach
dem zweiten oder dritten Bissen begann Burger, wieder zu schreien. Sie aß im
Stehen. Der Topf stand auf dem niedrigen Vorratsschrank.
    »Genug! Hör
auf! Du hast genug gefressen !« Er sprang auf und
entriss ihr den Topf. »Ihr jungen Dinger müsst auf eure Linie achten !« , höhnte er. »Hol mir lieber ein Glas zu trinken .« Clara senkte den Kopf und ging zum Wasserbecken. Vorbei
am Kleiderschrank. Vorbei an der Pistole. Sie hielt kurz inne. Noch war nichts
Gravierendes passiert. Noch konnte sie

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