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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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geschrieben und uns eingeladen. Ich habe einen Antwortbrief angefangen und habe dann nicht die richtigen Worte gefunden – aber das ist in Ordnung: Sie hat gesagt, wir können jederzeit kommen. Eine Erbschaft bedeutet Geld, Parsefall. Sie stirbt und sie ist reich und sie will ihr Geld verschenken.«
    »Niemand verschenkt Geld«, gab Parsefall zu bedenken.
    »Doch, wenn Leute sterben und es nicht mehr brauchen.«
    »Dann schenken sie es nicht jemandem wie uns«, konterte Parsefall. Er ballte die Fäuste und vergrub sie in den Hosentaschen. »Für mich klingt das nach ’ner Falle. Ich fahr nich’ um die halbe Welt und geh irgend’nem Freund von Grisini auf den Leim …«
    »Doch, das wirst du«, widersprach Lizzie Rose. »Begreifst du denn nicht: Die Polizei wird uns holen kommen! Wenn sie herausfinden, dass du die Fotografie gestohlen hast, schicken sie dich ins Gefängnis … oder nach Australien. Ich weiß nicht, was von beidem. Aber das lass ich nicht zu!« Mit einem Mal wirkte sie kämpferisch. »Ich will dich nicht verlieren. Also müssen wir weggehen, und zwar noch heute Abend, bevor die Polizei auftaucht.«
    Parsefall zog die Schultern hoch. Das ging alles viel zu schnell. Er wollte London nicht verlassen, und die Vorstellung, mit der Eisenbahn zu fahren, flößte ihm Furcht ein. Die Aussicht, Geld zu erben, schien zu unwahrscheinlich, um sich gegen diese Angst durchzusetzen. Parsefall kannte sich mit Geld aus: Wenn man großes Glück hatte, fand man es auf der Straße; man konnte es stehlen oder verdienen. Aber niemand verschenkte es.
    »Ich komm nich’ mit«, sagte er, doch in seiner Stimme schwang eine Spur von Unsicherheit.
    »Tust du doch«, entgegnete Lizzie Rose eisern. »Ich lass nicht zu, dass die Polizei dich holt. Ich habe alles organisiert: Die Armreife und die Schnupftabakdosen habe ich zum Pfandleiher gebracht, alles ist gepackt, und ich habe herausgefunden, wann die Züge fahren. Das ist vielleicht unsere Chance, Parsefall!« Ihre Stimme zitterte, aber sie hatte ihren Entschluss gefasst. »Ich will dieses Geld. Ich bin es leid, wie eine Sklavin zu arbeiten, und will weg von diesem grässlichen Fitzmorris. Und deshalb fahren wir, und du kannst dir weitere Widerworte sparen. Wenn du dich mit mir streitest, schleife ich dich mit Gewalt mit.« Sie bleckte die Zähne und ähnelte für den Bruchteil einer Sekunde einem tollwütigen Hund. Parsefall war so verdutzt, dass er den Griff lockerte, und Lizzie Rose entriss ihm die Deichsel. Bis er sich besann, war Lizzie Rose schon sechs Schritte davongeeilt.
    Er rannte ihr nach. »Was is’ mit den Puppen?«
    »Was soll damit sein?«
    »Ich brauch sie«, erklärte Parsefall. »Du packst sie ein, ja?«
    »Parse, wir haben keinen Platz!«
    »Du musst!«, forderte Parsefall eindringlich. »Wenn uns die alte Dame ausschmiert, womit sollen wir sonst Geld verdienen? Außerdem is’ da noch Clara.«
    Lizzie Rose zuckte bei Claras Namen zusammen. »Ich nehme Clara mit«, lenkte sie ein. »Aber in der Truhe ist nicht viel Platz, Parse. Ich konnte Mrs Pinchbeck nicht sagen, dass wir wegfahren, aber ich glaube nicht, dass sie die Puppen wegwerfen würde. Himmel, sie wirft nie irgendetwas weg! In einiger Zeit kommen wir nach London zurück und klären alles.«
    »Ich brauch sie!« Parsefall hörte die Panik in seiner eigenen Stimme und verstärkte die Wirkung noch, weil er wusste, dass Lizzie Rose immer weich wurde, wenn er sich wie ein kleiner Junge benahm. »Ich brauch keine Kleider, ich trag die, wo ich anhab … aber ich brauch die Puppen, ich muss sie haben.«
    Lizzie Rose seufzte. »Na schön. Ich packe so viele ein, wie noch Platz finden.«
    »Und die Kulissenbilder«, erinnerte Parsefall sie eindringlich. »Du kannst se zusammenrollen, die nehmen nich’ viel Platz weg. Ich kann nich’ malen wie Grisini und wir brauchen Kulissen.«
    Lizzie Rose schaute ein bisschen verzweifelt drein, doch sie nickte. »Na schön. Ich packe die Kulissenbilder ein. Aber jetzt musst du los, Parsefall, lauf zum Droschkenstand in der King’s Road. Ich komme so schnell ich kann. Es ist am sichersten, wenn wir den Nachtzug nehmen.«
    Parsefall signalisierte mit einem knappen Kopfnicken, dass er verstanden hatte, und vergrub die Hände in den Taschen. Er schaute ihr nach, bis sie in der Dämmerung verschwunden war.

28. Kapitel

     
    Die Reise
     
    E s war bereits stockdunkel, als Lizzie Rose in der King’s Road eintraf. Der Kutscher band die Weidentruhe auf dem Handwagen los

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