Clark Mary Higgins
hatte auch einen anständigen Friseur gefunden. Und die beiden
Anzüge, die er sich kürzlich angeschafft hatte, saßen genau so,
wie gute Anzüge sitzen sollten. Das neue Mädchen am Empfang
von »Cosmic« machte ihm bereits schöne Augen. Er hatte ihr
gegenüber durchblicken lassen, daß er den elenden Job am Empfangspult nur übernommen hatte, weil er ein Theaterstück
schrieb. Sie kannte Ethels Namen. »Sie sind auch Schriftsteller?«
hatte sie ehrfurchtsvoll gehaucht. Er hätte Linda ganz gerne mit
hergebracht. Aber er mußte vorsichtig sein, jedenfalls fürs erste…
Bei einer zweiten Tasse Kaffee sah Douglas systematisch die
Papiere auf Ethels Schreibtisch durch. Es gab eine mit »Wichtig« bezeichnete Mappe. Als er sie durchblätterte, wurde sein
Gesicht plötzlich aschfahl. Ethel, die alte Schwätzerin, besaß die
höchst dotierten Aktien. Sie hatte Land in Florida und eine Versicherung für eine Million Dollar!
Im hintersten Teil der Mappe lag eine Kopie ihres Testaments. Er traute seinen Augen nicht, als er es las.
Alles, bis auf den letzten Fünfer, hinterließ sie ihm. Und das
war eine recht beträchtliche Summe.
Er würde zu spät zur Arbeit kommen. Aber das war ihm egal.
Doug hängte seine Anzüge wieder über die Lehne der Chaiselongue, machte ordentlich das Bett, leerte den Aschenbecher
und legte eine zusammengefaltete Decke, ein Kissen und Bettücher auf das Sofa, um damit anzudeuten, daß er hier geschlafen
hatte. Dann schrieb er einen Zettel: »Liebe Tante Ethel, vermute
Dich auf einer Deiner Überraschungsreisen. Wußte, daß Du
nichts dagegen hättest, wenn ich hier auf dem Sofa schlafe, bis
meine neue Behausung fertig ist. Hoffentlich hattest Du viel
Spaß. Dein Dich liebender Neffe Doug.«
Das legt die Art unserer Beziehung fest, dachte er, wobei er
Ethels Bild an der Wand von der Wohnungstür aus zuwinkte.
Am Mittwoch hinterließ Neeve um halb drei Uhr nachmittags
auf Tse-Tses Telefonbeantworter eine Nachricht. Eine Stunde
später rief Tse-Tse bei ihr an. »Neeve, wir hatten gerade Kostümprobe. Ich glaube, das Stück ist großartig«, erzählte sie begeistert. »Ich habe zwar nichts weiter zu tun, als den Truthahn
zu servieren und ›ja‹ zu sagen. Aber man kann nie wissen. Vielleicht sitzt Joseph Papp oder ein anderer berühmter Regisseur im
Publikum.«
»Du wirst bestimmt noch ein Star«, sagte Neeve und meinte
es aufrichtig. »Ich kann’s kaum erwarten, damit anzugeben, daß
ich dich schon kannte, als du noch et cetera… Hör zu, Tse-Tse,
ich muß noch mal in Ethels Wohnung. Du hast doch den Schlüssel sicher noch?«
»Hat niemand etwas von ihr gehört?« Tse-Tses Stimme verlor
den fröhlichen Klang. »Da geht doch irgend etwas Seltsames
vor, Neeve. Der komische Neffe, der in ihrem Bett schläft und
in ihrem Zimmer raucht. Entweder rechnet er nicht damit, daß
sie zurückkommt, oder es ist ihm egal, ob sie ihn rausschmeißt.«
Neeve stand auf. Sie fühlte sich plötzlich ganz verkrampft
hinter ihrem Schreibtisch, und die in ihrem Büro verstreuten
Muster von Kleidern, Taschen, Schuhen und Schmuckstücken
kamen ihr schrecklich unwichtig vor. »Tse-Tse«, fragte sie,
»wäre es dir möglich, morgen vormittag noch einmal in Ethels
Wohnung zu gehen? Wenn Ethel da ist, um so besser. Dann
sagst du, daß du dir ihretwegen Sorgen gemacht hättest. Wenn
der Neffe da ist, kannst du ja sagen, Ethel habe dich gebeten,
noch gewisse Arbeiten zu erledigen, zum Beispiel die Küchenschränke auszuwaschen oder etwas Ähnliches.«
»Klar, mache ich«, bestätigte Tse-Tse. »Vergiß nicht, daß mir
das Stück fast keine Gage einbringt, nur Prestige. Aber ich muß
dir auch sagen, daß es Ethel schnuppe ist, wie ihre Küchenschränke aussehen.«
»Wenn sie wiederauftaucht und dir nichts bezahlen will,
übernehme ich das«, sagte Neeve. »Ich werde mit dir kommen.
Ich weiß, daß Ethel einen Terminkalender in ihrem Schreibtisch
hat. Ich möchte mir nur ungefähr ein Bild davon machen, was
sie möglicherweise für Pläne hatte, ehe sie verschwunden ist.«
Sie verabredeten sich für den folgenden Morgen um acht Uhr
in der Eingangshalle. Bei Ladenschluß verriegelte Neeve die Tür
der Boutique und kehrte in ihr Büro zurück, um noch in Ruhe
Schreibarbeiten zu erledigen. Um sieben Uhr rief sie in der bischöflichen Residenz an und wurde mit Bischof Devin Stanton
verbunden.
»Ich habe deine Nachricht erhalten, Neeve«, sagte er. »Mit
größtem Vergnügen komme ich
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