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Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
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Balearen, wo sie immer den Sommer verbringt, und kann gut genug Spanisch, um mir nacheinander die Antworten auf seine misstrauischen Fragen aufzuschreiben, die er auf Deutsch stellte, durchzogen mit aquí, si, también, no und bodega . Er schien nicht zu verstehen, was ich sagte, aber das kümmerte ihn genauso wenig wie mich. Ich sagte bueno und legte auf.
    Wir hatten uns für zwei Uhr in der Nacht von Freitag auf Samstag verabredet. Aus unerfindlichen Gründen war er dagegen, dass Nina mitkäme.
    „Frauen fallen nachts mehr auf.“
    Sie fuhr mich hin, parkte in der Nebenstraße.
    „Sollten Sie bis vier Uhr nicht zurück sein, rufe ich die Polizei.“
    „Und dann werde ich zusammen mit einem ehemaligen Polypen verhaftet?“
    „Das ist immer noch besser, als in diesem Keller begraben zu werden. Der Typ scheint nicht ganz richtig zu ticken.“
    Ich wartete in der Kälte bis halb drei. Ich hätte ihn gern angerufen, aber wir hätten uns ja nicht verständigen können.
    Eine Hand auf meiner Schulter.
    „ Hola. “
    Ein kleiner, dünner Mann mit Schirmmütze.
    „ Hola. “
    „ Dinero. “
    Ich zog das Geld aus meiner Tasche, gab ihm fünf Hunderter. Mit dem Zeigefinger beschrieb ich einen Kreis, um ihm zu bedeuten, dass er den Rest danach bekäme. Er sagte etwas auf Deutsch. Ich schüttelte den Kopf. Nachdem er begriffen hatte, dass ich meine Meinung nicht ändern würde, nickte er seufzend.
    Er hatte den Schlüssel zum Gartentor und zur Garage. Der Mercedes Kombi stand noch immer dort. Am Tag seiner Verhaftung war Fritzl mit dem Auto zum Spital gefahren, ein Polizeibeamter hatte ihn zurückfahren müssen.
    Der junge Mann leuchtete mit der Taschenlampe hinein. Der Schlüssel steckte im Zündschloss. Ich wollte die Autotür öffnen, aber komischerweise war sie abgesperrt.
    Gebeugt und im Zickzack durchquerte der Mann den Garten, als hätte er Angst vor Heckenschützen. Vor der linken Ecke des Hauses öffnete er eine Tür, eine der beiden Türen, die in den Keller führten. Er drückte einen Schalter, kümmerliches Licht fiel auf die Stufen. Die Behörden warteten, bis das Haus verkauft wäre, bevor sie den Strom abstellten.
    Mit einem Erobererlächeln stürzte er sich die Treppe hinunter, als wollte er den Keller im Sturm nehmen.
    „ La cava, la cava! “
    Wir gingen durch den Heizungskeller, vorbei am ausgeschalteten Heizkessel, diesem prosaischen Krematorium, in dem Fritzl ein Baby verbrannt hatte.
    Der Mann war schon weit vor mir. Alle Türen standen offen, es gab einen übel riechenden Luftzug.
    „ Soy yo. “
    Er tippte sich auf die Brust und nickte zu der Tür zwischen Heizungskessel und Büro hin.
    „ Puertas? “
    „ Yo, yo. “
    Ich schloss daraus, dass er sie bereits bei seinem letzten Besuch aufgesperrt hatte. Vielleicht wollte er mit der zirkulierenden Luft den Keller durchlüften.
    Wir betraten das Zimmer, in dem Fritzl vermutlich über seinen Plänen gebrütet hatte, während er seiner Tochter Kinder machte. Die Regale, die die erste Tür verborgen hatten, waren abgebaut worden. Bretter lagen unordentlich auf dem Boden, die zweite Tür stand offen. Auf dem Betonboden war ein lila Fleck, als hätte Fritzl einmal ein Glas Heidelbeermarmelade fallen lassen. Wir bückten uns und gingen nacheinander hinein.
    Dort begann das Labyrinth. Eine Glühbirne mühte sich noch, es zu beleuchten, die anderen waren durchgebrannt. Je weiter man ging, desto dichter wurde die Dunkelheit. Offene Türen zogen vorbei, die letzte führte in einen drei Meter langen Gang. An dessen Ende lag die letzte Schleuse, geschlossen. Im Licht der Taschenlampe zeigte der Mann mir die Tastatur für den Code, mit der Fritzl seinen Sesam geöffnet hatte. Die Metalltasten entsprachen den zehn arabischen Ziffern. Die Drei und die Acht schienen nie berührt worden zu sein, die anderen waren abgewetzt, vor allem die Sieben konnte man kaum noch erkennen.
    Der Mann tippte irgendetwas ein und, begeistert über seine Vorführung, wedelte er dann zum Zeichen für Nein mit dem Zeigefinger.
    „ No foncionar. “
    Er hob die Querstange an, mit der Anneliese, wäre sie ihrem Mann einmal gefolgt, Fritzl hätte einsperren und dann Hilfe holen können.
    „ Usted, usted. “
    Er nahm meine Hand und legte sie auf den verchromten Türgriff, an dem man noch matte Abdrücke sah, verwischte Fingerabdrücke von Fritzl. Ich musste die Beine gegen den Boden stemmen, um die Tür in den Angeln zu drehen. Es hieß, sie wöge hundert, zweihundert, dreihundert,

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