Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Claw Trilogy 01 - Fenrir

Claw Trilogy 01 - Fenrir

Titel: Claw Trilogy 01 - Fenrir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M D Lachlan
Vom Netzwerk:
großer Höhe, unter ihr flogen Wolken dahin. Als sie nach unten blickte, schien der Grund zu beben und zu verschwimmen. Wenn sie auch nur einen Schritt tat, würde sie zu Tode stürzen.
    »Du hast es schon einmal getan, du kannst es wieder tun.«
    Edelfrau, leg das Schwert weg, du wirst dich noch verletzen.
    »Tu es. Für deinen Geliebten.«
    Sie sah sich über die Schulter um. Hinter sich erkannte sie das Wesen mit dem entstellten, verschandelten Gesicht. Die Frau, deren Kopf aussah wie ein Gallapfel auf einer Eiche und nicht wie ein menschliches Haupt.
    Dann verspürte sie ein leichtes Brennen im Leib, und etwas schälte sich vor dem inneren Auge heraus – ein Umriss, zwei schräge Linien wie bei einem K, aber ohne die senkrechte Linie. Eine Pfeilspitze. Sie brannte und loderte, knisterte, leuchtete und verströmte dabei ein Licht, das alles vor ihr viel weiter beschien, als das Auge reichte.
    Der Mann in ihren Armen hatte das Gesicht des Beichtvaters, war aber jemand anders.
    »Er ist nicht tot«, sagte sie.
    »Er steht kurz davor. Wenn du gehst, wird er alles verstehen und dir folgen.«
    »Er ist nicht tot. Ich weiß, wer er ist, und du weißt es auch.«
    Edelfrau, so lege doch die Waffe nieder, im Namen des Herrn der heiligen Blitze. Was hast du denn damit vor? Verbietet es dir deine Religion nicht, so etwas zu tun? Ein Christ darf sich nicht selbst das Leben nehmen. Du darfst dich nicht selbst umbringen.
    Leshii wedelte mit beiden Händen, als wollte er einem Zweijährigen mit Schmeicheleien etwas Wertvolles abnehmen. Für Aelis war er fast körperlos. Die Realität der Höhlen war stärker.
    »Siehe meinen Geliebten. Deine Verstellung ist nutzlos«, erwiderte Aelis.
    Sie drehte sich um und zeigte der Frau hinter sich den Mann, den sie auf den Armen trug. Das Wesen wich zurück und presste sich an die Höhlenwand, dann stürzte es auf den Boden und schrie. Das schreckliche, durchdringende Geräusch klang nach den gequälten Füchsen in den Fallen, die Aelis nachts in Loches gehört hatte, nach den Schreien der Verwandten, wenn Diebe am Galgen gehenkt wurden, nach den Kindern in den brennenden Häusern von Paris. Es waren die Laute des Zusammenbruchs von Vernunft und Gesundheit.
    Sie blickte in das Gesicht des Mannes in ihren Armen hinab, und jetzt schrie auch sie. Es war der Rabe.
    Aelis ließ das Schwert fallen, und sofort sprang Leshii herbei und wischte das Blut ab, wo sie sich unter dem Kinn die Klinge an den Hals gesetzt hatte.
    »Es war die Hexe, sie hat dich verzaubert.«
    »Ja.«
    »Was sollen wir nur tun, was sollen wir nur tun?« Der Händler sprach ebenso mit sich selbst wie mit ihr.
    Aelis lehnte sich im Bug des kleinen Bootes an. Ihr war unermesslich kalt.
    »Bring mich an ein Feuer, Leshii.«
    »Die Abenddämmerung beginnt, Edelfrau. Wir dürfen es wegen der Vögel nicht riskieren.«
    »Die Vögel kommen heute Nacht nicht.«
    »Wie kannst du so sicher sein?«
    »Sie hat Angst, Leshii, das spüre ich. Die Frau, die uns verfolgt, hat schreckliche Angst. Sie handelt aus Furcht.«
    Das Gesicht des Raben schien vor ihr zu schweben. Wieso hatte sie es bisher noch nicht bemerkt? Die Schnäbel der Vögel hatten seine Haut zerrissen und zerfetzt. Er war stärker und besser genährt, gesünder als der Beichtvater, aber sie waren wie Brüder. Es war, als wären sie ein und derselbe Mann, dessen Abbild sich in einem Zerrspiegel verdoppelte.
    »Es ist klüger, weiterzufahren.«
    »Ich will ein Feuer haben, Leshii. Mir ist so kalt.«
    Der Händler nickte und lenkte das Boot ans Ufer. Das Maultier seufzte erleichtert und sprang an Land, die Fischer ließen ihr Boot gleich daneben auflaufen.
    »Gibt es Schwierigkeiten?«, fragte einer und nickte, als er das blutige Tuch sah, das Aelis sich auf den Hals presste. Er hatte graue Haare, und von den Jahren in Wind und Sonne war das Gesicht vernarbt.
    »Kein Problem«, sagte Leshii. »Der Bursche ist ein Asket.«
    »Ein was?«
    »Ein Mystiker. Er sucht den Schmerz, weil ihn das Gott näher bringt. So etwas gibt es in jeder Religion. Ich bin sicher, in eurer kennt ihr sie auch – was seid ihr denn, Bruder?«
    »Wir sind Christen und gehören der heiligen katholischen Kirche an«, erklärte der Fischer.
    »Genau wie ich«, sagte Leshii. »Kommt, wir zünden ein Feuer an. Heute Abend wird der Bursche bei uns sitzen.«
    »Das ist wirklich eine Ehre.« Der jüngere Fischer machte eine Miene, die einem gefangenen Karpfen nicht unähnlich war.
    So ließen sie sich nieder,

Weitere Kostenlose Bücher