Claw Trilogy 01 - Fenrir
Herr.« Leshii betastete sein Gesicht. Die Nase war gewiss gebrochen.
»Du wirst es mir jetzt sofort sagen.«
»Mein edler Herr, ich bin ein Händler. Dieses Wissen ist alles, was ich einsetzen kann. Wenn ich es aufgebe, bin ich tot.«
»Du stirbst sowieso. Kommt es da noch auf einen Tag mehr oder weniger an?«
»Bevor ich ihren Aufenthaltsort offenbare, verlange ich einen Eid von dir, dass du mich am Leben lässt.«
Ein weiterer, noch heftigerer Tritt. Leshii rollte sich auf dem Boden zusammen.
»Keinesfalls. Du hast sie vor mir versteckt und mich belogen. Ich würde lieber tausend Frauen verlieren, statt mich auf eine solche Forderung einzulassen. Ich biete dir einen schnellen Tod, mehr nicht. Entscheide dich jetzt, sonst übergebe ich dich dem Raben.« Abermals hob der König den Fuß.
»Einverstanden.« Leshii biss vor Schmerzen die Zähne zusammen. »Es ist mir eine Freude, mit dir Geschäfte zu machen.«
»Reize mich nicht, Händler«, sagte Siegfried.
Leshii blieb liegen, wo er war. Er hatte sein Leben verwirkt und fand sich damit ab, dass er sterben musste. Nun konnte er nur noch versuchen, es mit Humor zu nehmen.
»Wir brechen sofort auf«, entschied Siegfried.
Ein Leibwächter zog Leshii auf die Füße, ein anderer brachte Siegfried die Halsberge und den Schild mit dem schrecklichen Wolfskopf.
»Brauchen wir die Brünnen, Herr?«, wollte ein Krieger wissen. »Wir holen doch nur ein Mädchen.«
Leshii wusste, dass damit das Kettenhemd gemeint war. Die Waräger in Ladoga benutzten den gleichen Begriff.
»Wenn der Rabe herausfindet, wo sie ist, werden wir sie brauchen«, entgegnete der König. »Er ist ein mächtiger Mann. Eigentlich steht er auf unserer Seite, aber stellt euch vor, was geschieht, wenn er sich gegen uns wendet.«
Die Krieger kleideten sich an und bewaffneten sich, gingen hinaus und stiegen auf die Pferde. Es waren acht, alle trugen volle Rüstungen und Helme. Die Schilde hatten sie sich auf den Rücken geschlungen, in den Händen hielten sie Speere. Flucht? , dachte Leshii. Ausgeschlossen. Er sah sich nach einem Pferd um.
Der König bemerkte den Blick. »Du läufst zu Fuß.«
»Werde ich dich damit nicht aufhalten?«, fragte Leshii.
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil du rennen wirst. Saerda, mach ihm Beine«, befahl der König.
»Jawohl, Herr.« Der dürre Berserker wendete sein Pferd und ritt zu dem Händler, Leshii wollte ausweichen, war aber zu langsam. Der Berserker verpasste ihm mit der flachen Seite des Schwerts einen Hieb auf das Ohr. Leshii stolperte.
Er hatte mit dem Gedanken gespielt, die Krieger in den Wald zu führen und zu verschwinden, sobald sich eine Gelegenheit bot. Da Saerda so gern Hiebe austeilte, musste er sich allerdings fragen, ob er es überhaupt bis in den Wald schaffen würde.
Sie eilten durch das Lager, Leshiis Stiefel glitten immer wieder im Schlamm aus. Kinder riefen und versuchten, ihn zum Straucheln zu bringen. Einige warfen sogar mit Kot und Steinen, bis einer den König traf. Dann rannten sie alle weg wie erschrockene Ratten. Leshii war ein zäher alter Mann, der sein Leben lang mit Karawanen marschiert war oder auf Maultieren und Kamelen gehockt hatte. Das Tempo, das Siegfried anschlug, wäre allerdings selbst für einen halb so alten Mann eine schwere Prüfung gewesen. Leshii keuchte und schnaufte. Der König lenkte sein Pferd zu ihm und schlug ihn nieder.
»Steh auf, Händler. Du darfst zum Stelldichein mit dem Tod nicht zu spät kommen.«
Leshii konnte nicht antworten. Die Luft war beinahe zu dick für die Lungen, und ihm war, als müsste er Suppe atmen. Er blieb auf dem Bauch liegen und wartete auf das Unvermeidliche – das Trampeln von Siegfrieds Pferd, einen Stich mit dem Speer.
»Edler Herr, der Händler wird uns nicht mehr führen können, wenn wir so weitermachen.« Der Sprecher war ein Leibwächter des Königs, ein Mann mit hartem Gesicht, dem die Nasenspitze fehlte.
»Lass ihn aufstehen«, befahl Siegfried. Der Leibwächter stieg vom Pferd und half Leshii. »Schneide ihm die Kehle durch, wenn er uns nicht auf der Stelle sagt, wo das Mädchen ist.«
Leshii beugte sich keuchend vor und schüttelte den Kopf. Der Leibwächter zog das Messer aus der Scheide, und Leshii sank auf die Knie und blickte zu ihm hoch.
»Nein, warte.« Siegfried schob die Klinge des Mannes mit seinem Speer zur Seite. »Setze ihn auf dein Pferd und nimm ihn mit. Geht es hier entlang, Händler?«
Leshii nickte und brachte ein geröcheltes »Ja«
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