Claw Trilogy 01 - Fenrir
ihres vereinten Bewusstseins wand und durch ihre Gedanken kroch wie ein Wurm durch die Erde. Sie rankte sich um die dünnen Balken der Hagelrune, welche sie verzaubert hatte. Dann war es, als bräche in den beiden etwas los, das um sich schlug und sich aufbäumte. Bilder von Hass und Tod entstanden. Dänen und Franken fielen mit verzerrten Gesichtern unter Hugins Schwert, ein Toter wurde, schon erkaltet, am Morgen aufgefunden, eine Frau weinte, und nur der spottende Ruf einer Krähe antwortete ihr.
Ein Rabe flog vom Baum herab.
Blut, durch Blut gezeugt. Hugin konnte nicht erkennen, ob er die Worte nur im Kopf hörte, oder ob jemand sie laut gesprochen hatte.
Der Vogel hüpfte auf Munins Schulter, pickte an ihrem Ohr und schlug eine blutende Wunde.
Hugin hörte die Stimme seiner Schwester im Kopf, die sich an den Vogel wandte: Du sollst sie finden.
Ein zweiter Vogel ließ sich auf ihrer Schulter nieder und hackte sie in den Hals.
Flamme, von der Flamme gezeugt.
Ein Blutschwall rann ihren Oberkörper hinab.
Du sollst sie markieren, sagte Munin zu dem anderen Vogel.
Jetzt erschien ein dritter und fiel wie ein schwarzes Blatt vom Ast herunter. Auch er pickte in ihren Hals.
Tod, vom Tod gezeugt.
Der Vogel saß da und blickte sie an, als wartete er auf Anweisungen.
Und du sollst das Blut der Schlange zu dem Ort tragen, wo sie ruht.
Der erste Rabe krächzte und flog in die Nacht davon, die anderen beiden riefen ihm nach, als hätten sie ihn verscheucht.
In Hugins Kopf verlagerte sich das Schweregefühl. Ihm war kalt, er war müde und fühlte sich verletzlich. Schließlich stand er auf. »Werden die Vögel sie erledigen?«
Obwohl die Frau schwieg, nickte Hugin. »Dann will ich hingehen und mich vergewissern. Grettirs Männer werden die Erde verbrennen, um sie zu finden.«
»Nimm vierzig Krieger zu den Gehöften im Süden mit, und wenn du sie dort nicht findest, sollst du dich nicht mehr um sie kümmern. Du hast anderswo zu tun. Das Mädchen wurde gesehen. Wenn sie getötet werden kann, dann töte ich sie.«
»Und wenn nicht?«
»Dann steht uns ein beschwerlicher Weg bevor. Wir müssen den Wolf finden und bändigen.«
»Wohin soll ich dann gehen?«
»Nimm die Straße nach Osten zum Brunnen des toten Herrn. Der Wolf wird dort die Fährte des Gottes suchen. Wir müssen ihn wenigstens einmal zu sehen bekommen, um zu entscheiden, wie wir vorgehen wollen.«
»Wie soll ich ihn rufen? Ich bin ein Mann, keine Frau. Meine Magie ist schwach.«
»Ja.«
»Und?«
Munin neigte kurz den Kopf. »Du weißt, wer in den Hügeln und Strömen von Aguanum haust. Du weißt, was er will. Gib es ihm, bis er dir den Wolf offenbart. Die Wasser des Tempels sind hungrig. Es liegt bei dir, sie zu speisen.«
»Wie viele?«
»Wie viele was?«
»Wie viele müssen sterben?«
»Alle«, entgegnete Munin.
Hugin atmete aus und blickte zu den Männern zwischen den Bäumen. »Kommst du nicht mit?«
»Ich bleibe hier und versuche, das Mädchen zu töten.«
»Was wird aus dem Rest der Kriegertruppe?«
»Sie werden mit mir reisen und dem Mädchen nachspüren. Wenn ich sie nicht durch Magie zu töten vermag, dann müssen wir eben alltäglichere Methoden einsetzen.«
Der Rabe beugte sich vor und drückte die Hand seiner Schwester. »Ich werde es schaffen«, versprach er ihr. »Wir werden dies überleben.«
»Das spielt keine Rolle«, entgegnete sie.
»Für mich schon.«
»Der Gott muss leben.«
»Auch du musst leben, meine Schwester, auch du.«
Die Frau tastete schweigend nach einem Bündel gelber Lumpen an ihrer Seite und drückte sie Hrafn in die Hände.
Unter dem Tuch spürte er etwas Festes. Er schüttelte es und hörte eine Flüssigkeit gluckern. Er leckte sich die Lippen.
»Sie alle?«, fragte er.
»Sie alle.«
Hugin küsste seine Schwester auf die Stirn, dann ging er zu den Männern, die im Wald warteten, und erklärte ihnen, dass sie sich in zwei Gruppen aufteilen mussten. Die mehr als Zweihundert, die bei Munin bleiben sollten, jubelten, und der große Grettir rief gar, da sie eine mächtige Hexe an ihrer Seite hatten, müsse ihnen das Glück gewogen sein.
»Wir bekommen unsere Boote zurück!«, rief er.
Hugin nickte. »Sie wird euch helfen, in das Lager einzudringen. Wenn du zwanzig Männer nimmst, kannst du die Boote holen. Dann fahrt ihr die Seine hinunter und trefft eure Hauptstreitmacht.«
»Wann werden wir wieder vereint sein?«, fragte Grettir. »Ich borge meine Männer nur aus, ich werfe sie nicht
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