Clean Team
anlässlich der Verfilmung.
Er schrieb den Roman, bevor er meine Mom kennenlernte. Und er hat meine Mom nur kennengelernt, weil er den Roman geschrieben hat. Das Buch hatte damals so was wie Kultstatus. Dutzende von Auflagen, jede mindestens ein paar Tausend, verschafften ihm so viel Aufmerksamkeit, dass er in den späten Sechzigern, gewissermaßen als noch nicht ganz ergraute Eminenz der Gegenkultur, zu diversen Gastvorlesungen eingeladen wurde, unter anderem 1968 nach Berkeley. Andernfalls wäre er nie mit ein paar seiner älteren Studenten ins Fillmore gegangen, um ein Happening zu besuchen, das er lauthals als Schwachsinn verhöhnte, eine Flasche Mescal in der einen und einen riesigen Joint in der andern Hand, umgeben vom eher reaktionären Flügel der Friedens- und Freiheitsbewegung. Und er wäre bei dieser Gelegenheit auch nie einer attraktiven, jungen Erstsemesterstudentin begegnet, die ihm beweisen wollte, dass Rockmusik, Acid und freie Liebe die Welt verändern konnten. Er hätte nie eine gerüttelte Dosis pures LSD eingeworfen, um anschließend in der Morgendämmerung im Golden Gate Park die Erstsemesterstudentin bis zu Besinnungslosigkeit
zu vögeln und dabei, wie er es mir einmal schilderte, den abgefahrensten Blowjob der Menschheitsgeschichte zu erleben. Ich hab das komplette Universum gesehen, während sie mir einen geblasen hat, Web, und wie alles miteinander zusammenhängt . Und er hätte diese Studentin auch nicht in der gleichen Woche noch geheiratet und sie mit zurück nach Los Angeles genommen. Und ganz sicher hätte er sich nicht zwölf Jahre später gemeinsam mit ihr komplett zugekifft und bei einer der seltenen Gelegenheiten, wo sie noch Sex miteinander hatten, vergessen dafür zu sorgen, dass sie ihr Diaphragma einsetzt, und sie dergestalt mit einem Kind geschwängert, das sie sich weigerte abzutreiben, um am Ende mit mir als seinem Sohn dazustehen.
So lautete zumindest seine Version der Geschichte.
Der alte Mann rieb sich seinen runden Bauch.
- Wär dir das lieber gewesen? Hätte ich dich vor der Glotze abstellen und dieser Verblödungsmaschine deine Erziehung überlassen sollen? Klar, das hätte dich für ein stumpfes Malocherleben qualifiziert und wäre für alle Beteiligten einfacher gewesen. Ich hätte mir die Mühe sparen können, dir mit zwei Jahren das Lesen beizubringen. Oder dir die Sternbilder zu erklären oder dich mit ins Getty-Museum zu den Rembrandts zu schleifen oder in die Hollywood Bowl, um Bernstein zu erleben. Es wäre ein viel leichterer Weg gewesen, als dir etwas Sinnvolles zu vermitteln, das du heute mit deinen Schülern teilen kannst. Denn es gibt keine noblere Profession, keinen höheren Lebenszweck, als zu unterrichten. Aber natürlich hätte ich uns beiden diese Mühen ersparen und dir einen Fernseher kaufen können, was dich offensichtlich glücklicher gemacht hätte.
Ich blickte ihn an.
- Ich unterrichte nicht mehr.
Er blinzelte.
- Oh, und welcher Lebensaufgabe hast du dich jetzt verschrieben?
- Ich … ich mach sauber.
Er zupfte an dem grauen Haarbüschel, das aus seinem rechten Ohr quoll.
- Du bist Hausmeister.
- Nein.
- Aber du verdienst deinen Lebensunterhalt mit Putzen?
- Zumindest in den letzten paar Tagen.
- Dann, mein Sohn, bist du entweder ein Hausmeister oder eine Putzkraft. Bist du eine Putzkraft?
- Nein.
Er fuhr auf dem Barhocker herum und winkte dem Barmann.
- Haben Sie zufällig einen Bewerbungsbogen da? Wie es scheint, sucht mein Sohn einen besseren Job.
Der Barmann kniff die Augen zusammen.
- Wir stellen im Moment niemanden ein.
Mein Dad zuckte mit den Schultern.
- Nun denn. Dann geben Sie ihm noch ein Bier. Damit
er seine gescheiterten Träume und Sorgen ertränken kann.
Ich leerte mein Bier und setzte den Krug ab.
- Danke, Dad. Aber verwechsle mich bitte nicht mit dir.
Er grinste und entblößte die Stelle, an der ihm seit einer Kneipenschlägerei in Ensenada zwei Schneidezähne fehlten.
- Schaut euch nur den kleinen Hurensohn an, den ich großgezogen habe.
Lincoln Lake Crows liebt Lehrer und das Unterrichten. Zumindest in der Theorie.
Es ist eine der nobelsten Professionen, Web. Ich kann mir keine edlere Berufung vorstellen, als das Menschheitswissen von einer Generation an die nächste weiterzugeben. Dem Außenstehenden scheint es eine undankbare Aufgabe. Aber der Lehrer, der wahre Lehrer, weiß, dass der Lohn für seine Mühen nicht mit
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