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Clemens Gleich

Clemens Gleich

Titel: Clemens Gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pikmo und Jianna (German Edition)
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wühlen. Ernsthafte Ausgrabungsarbeiten mochten sogar tief unten irgendwo eine Tischplatte ans Tageslicht bringen, aber die ganze Stimmung des Zimmers legte nahe, dass dies für die nächsten hundert Jahre nicht sonderlich wahrscheinlich war. Es gab ein Fenster an der linken Wand, durch das höchst erwünschtes Tageslicht eindrang. Für gewöhnlich brachte das Licht jedoch die höchst unerwünschten Geräusche der Stadt mit und wenn man mal das Bedürfnis nach Sauerstoff aus dem geöffneten Fenster verspürte, kriegte man den nicht ohne den eindringenden, strengen Stadtgeruch, der eindrücklich von der Nähe der Slums hinter der hohen Mauer sprach, von den Bedürfnissen dort – vor allem körperlichen. Die Tür hatte ebenfalls ein Fenster, auf dessen Glas "Anforth Gramp, Hauptmann" eingeätzt war. Aber das konnte man von innen nicht sehen, weil die Tür von oben bis unten ein interessantes Federkleid aus angeklebten Zetteln trug.
    Die Akte, die Hauptmann Gramp gerade las, war eigentlich nicht übermäßig interessant. Sicherlich nicht interessant genug, um sich minutenlang den Bart darüber zu kraulen. Doch Gramp erledigte seinen Papierkram immer auf diese meditative Weise, da sie ihn in einen entspannten Zustand versetzte, in dem ihm manchmal Lösungen zu den wirklich wichtigen Problemen einfielen. Denen, die nicht auf einem Blatt Papier standen. Die anderen Mitarbeiter der Wache indes sahen nur, wie er gewissenhaft seine Akten studierte und gingen daher davon aus, dass er sie gewissenhaft erledigte. Tatsächlich erledigte der Hauptmann niemals das Problem, das ihm als Papier auf der Hand lag, sondern jenes, das ihn gerade in den Windungen seines Hirns am meisten beschäftigte.
    Was Gramp aktuell am meisten beschäftigte, waren einige neue, seltsame Morde, die auch in seinem Sektor der Stadt passiert waren. Die Opfer gehörten alle einer besseren Mittelschicht an, aber ansonsten verband sie nicht viel. Männer, Frauen, Techniker, ein Architekt, ein paar Frauen aus der Werbung... Was sie verband, war die Art ihres Todes. Es war jedesmal eine Sauerei. Der Täter musste eine irre Wut haben, denn alle waren mit einem einzigen Hieb auseinandergeschnitten worden. Das schien Gramp ein bisschen übertrieben für schwächliche Architekten und Bürodamen. Es passte eher auf ein Schlachtfeld. Gramps linke Hand führte ihm ein Blatt vor Augen. Darauf brachte das Nobelhotel "Wellenkämmer" ein verwüstetes Zimmer zur Anzeige. Allerdings war nicht von Blut die Rede. Der Hauptmann drehte seinen Kopf zum Papier in seiner rechten Hand. Ein gestohlener Felliger. Mit Belohnung. 1000 Goldmark. Dafür konnte man ein Häuschen kaufen – oder einen neuen Felligen. Es schien der Person also verdächtig dringlich zu sein. Trotzdem langweilig. Gramp wollte die Akte schon fortlegen, als ihm das Wort "Wellenkämmer" auch von diesem Blatt ins Auge sprang. Unter "Letzer bekannter Aufenthaltsort". Er verglich und erwartete beinah, dass beide Akten dieselbe Zimmernummer behandelten, befand das allerdings aufgrund der schieren Größe des Hotels doch als eher unwahrscheinlich. Es war dennoch dasselbe Zimmer. Hm. Ein Dieb und ein Randalierer also. Hauptmann Gramp zog geistesabwesend einen Stapel Blätter unter seiner Kaffeetasse hervor und ignorierte die Aktenlawine, die er damit auslöste. Die Diebstahlanzeige stammte von einer gewissen Frau Siebenring. Gramp kannte sie sogar. Ihr gehörte ein florierendes Handelsunternehmen samt Flotte. Der Kollege, der die Akte auf den Haufen gelegt hatte, war lobenswerterweise nicht arbeitsscheu gewesen und hatte die Spezifikation des Gestohlenen recherchiert und angeheftet. Der Hauptmann studierte sie. Sie missfiel ihm. Diese Art von Sklave also. Immer diese arroganten Neureichen, die... Genau! Gramps Gehirn kehrte von seinem weiten Bogen wieder zum eigentlichen Problem (dem Mörder) zurück. Alle Opfer waren einigermaßen gut situiert, und trugen, das konnte man in dieser Stadt annehmen, die Nasen höher als ihre Ohren. Wenn jetzt ein geistig geschädigter Heimkehrer von der Front... Ja, mit dieser Theorie konnte man doch arbeiten! Mit dem typischen Schwung einer neuen Idee lief Gramp in die Wachstube. Ein großer Mann mit dunkel aschblonden Locken saß dort und bohrte seine stahlgrauen Augen in die Stiefel, die er gerade polierte. Vielleicht wurden sie ja davon sauber. Yens van Erster, ein typisch übereifriger Wächter. Noch grün hinter den Ohren würde er jeden verhaften, der an der falschen Stelle

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