Clemens Gleich
sie irgendwie verdiente. Er keuchte unsportlich, wofür er sich sofort verfluchte. Wenn ihn die Sicherheitskräfte jetzt fanden, war ein halber Tag Arbeit für die Katz. 'Für die Katz', dachte er sich, 'eigentlich eine gute Überschrift'. Er kämpfte sich ein weiteres Stück durchs Gestrüpp, das ihm nun endlich einen Blick auf die geschwungene Liegewiese des Anliegens gestattete. Bingo! Auf einem Liegestuhl lag sein Ziel, seine Hoffnung, seine Geschichte: die hochwohlgeborene Dame Praneh Siebenring - und kein Sicherheitsgorilla in Sichtweite. Salvin schlüpfte aus dem dichten Gestrüpp wie aus einem Geburtskanal, klopfte sich kurz ab und startete seinen Angriff mit einem verbalen Sperrfeuer:
"HalloichbinvomEchoundhabeeinpaarFragen. Über diesen fehlfunktionierenden Felligen sind ja einige Gerüchte im Umlauf. Viele davon betreffen geradezu perverse Modifikationen, die einen besseren Bettfelligen zum Ziel haben. Was möchten Sie unseren Lesern sagen, um das zu entkräften?" Die alte ich-bin-dein-Freund-Tour. Patentrezept. Praneh Siebenring setzte betont langsam ihr Getränk ab und entfernte ihre Sonnenbrille, um den unwillkommen Gast mit einem Blick zu vernichten. Sie setzte die Brille wieder auf, antwortete aber:
"Selbst Ihren Lesern dürfte klar sein, wie albern diese Gerüchte sind."
"Also bestreiten Sie, Derartiges bestellt zu haben?" Salvin stellte sich neben den Liegestuhl, als wäre er ein Kopfdoktor.
"Ich habe nichts Derartiges bestellt. Was Sie und Ihre Aasgeierkollegen da so vermuten, kenne ich in der Mehrzahl nichtmal."
"Aber wie sah die genaue Spezifikation denn nun aus?" Jetzt hatte er sie im rhetorischen Schwitzkasten!
"Was geht Sie das an?"
"Unsere Leser haben ein Recht darauf, die Wahrheit...", ratterte der Reporter herunter, doch Praneh schnitt ihm das Wort ab:
"Ach, hören Sie doch auf! Die Wahrheit interessiert Sie einen Scheißdreck. Diese dämliche Schreiberphrase ist nicht mehr als ein Vorwand, mir hier meine Privatsphäre zu rauben, um möglichst pikante Geschichten zu erspinnen, an denen Sie und Ihre Leser sich aufgeilen können!" Das stimmte natürlich, nur konnte Salvin das so nicht zugeben, am allerwenigsten sich selbst gegenüber. Er setzte eine beleidigte Miene auf und fragte weinerlich nach einem leichteren Opfer:
"Ist Ihre Tochter denn zu sprechen?"
"Lassen Sie mein Kind in Frieden", befahl Praneh in Worten wie Eiszapfen. "Es muss Ihnen reichen, mir hier meine seltene Ruhepause zu stehlen und mich mit Ihren schmierigen Fragen und Ihrer ebensolchen Erscheinung zu beleidigen." Sie lächelte ihn an: "Was möchten Sie sonst noch wissen?" Salvin drehte sich um, denn er wollte seinen Angriff auf der anderen Liegestuhlseite fortsetzen. Er lief in einen gut geschneiderten Anzug, der über einer Masse gut trainierter Muskulatur hing. Der Schreiber blickte zu einer privaten Wache auf. Die Wache sah die Dame an. Sie nickte und wandte sich wieder ihrem Getränk zu. Der Wächter wies die Hand in Richtung Ausgang, mit einem Hauch Suggestion, dass diese Hand noch viele andere Methoden kannte, ihm den Weg nach draußen klarzumachen. Salvin Huntgeburth suchte nach etwas Würde, musste sich in Ermangelung ebendieser jedoch damit zufriedengeben, seinen gestrüppstachligen Pullover zurechtzuziehen und seinen Hinausgeleitschutz im Gehen zu interviewen:
"Was zahlt die Siebenring denn so? Zufrieden damit? Das Echo zahlt Informaten gutes Geld, wissen Sie..."
"..."
"Wie fühlen Sie sich denn so mit den Gerüchten über Ihre Arbeitgeberin? Macht Sie das wütend? Haben die Leute recht?"
"..."
"Finden Sie, man sollte derartige Perversionen verbieten?"
"..."
"Sie sind ein großartiger Interviewpartner, wissen Sie das?"
"..."
"Niemand wird Sie je wieder einstellen, wenn ich meine Enthüllungen veröffentliche! Noch können Sie sich distanzieren von dieser ganzen Scheußlichkeit!"
"..." Das gusseiserne Tor zur Straße schob sich lautlos auf. Salvin legte der Wache die Hand auf den Arm und flüsterte in drängendem Ton:
"Hören Sie, Sie können mehr, Sie brauchen das hier nicht! Helfen Sie mir und ich biete Ihnen Perspektiven, von denen Sie nur träumen!" Der große Mann sah auf Salvins Hand herab. Salvin zog sie weg, als hätte ihn eine Spinne gebissen. Der große Mann sah vielsagend in Richtung Tor. Salvin machte sich auf den Weg, Verwünschungen zurücklassend – sehr leise Verwünschungen.
Draußen vor dem Tor spülte der lose Fluss der oberen Mittelklasse auf der Suche nach Mittagessen den
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