Clemens Gleich
ließ sich auf die Kissen fallen und klatschte in die Hände, obwohl die Bedienung schon vor ihm stand:
"Ja. Hallo. Bring mir und meinen guten Freunden etwas Kraut", sagte er kopfwackelnd, denn er versuchte schielend, die bessere der beiden Bedienungen vor ihm zu ermitteln. Als beide sich umdrehten zum Gehen, klatschte er nochmal und schrie: "Nein, halt! Ich meine nicht 'etwas' Kraut, ich meine natürlich 'ganz viel' Kraut. Bring mir ganz viel. Ja. Hallo. Danke." Er blinzelte. Die zwei Bedienungen waren weg. Vor ihm standen nun zwei Telemänner mit zwei Dingern, die wie Kinderpuppen in seiner Größe aussahen – mit Flügeln.
"Was sind das für Dinger?", fragte Pi. Sein Zeigefinger malte eine verbeulte Acht in die Luft, deren Linien sich nirgends mit den Personen vor ihm trafen, weil er sie nach oben malte.
"Blätter? Lampen?", vermutete Telemann. Er setzte sich an die Wand auf die Kissen neben ihn. Neben ihm wiederum saß immer noch die Flügelpuppe, die ihn jetzt kraulte.
"Du hast eine Dings mitgebracht", sagte Pi.
"Ja, es gibt hier nicht nur Drogen, sondern auch Frauen."
"Aber das sind Pixies! Ich wusste es, du bist pervers."
"Ne, nicht pervers", seufzte Telemann, "nur verzweifelt. Sie haben meine Größe, sie haben Flügel, sie sind irgendwie weiblich. Mehr kann ich hier ja nicht verlangen." Zum Glück brachte an diesem Punkt die Bedienung einen Wasserpfeifenkopf von industriellen Ausmaßen und ihm damit eine kleine Erleichterung. Er nahm einen Zug. Die Welt wackelte. Es ging ihm besser. "Weissu", fuhr er fort, "ich hab dir auch eine bestellt, weil ich weiß, dass du auch pervers bist. Und Pixies zu klein." Er versuchte, mit den Fingern zu schnippen, aber seine Finger verpassten einander um Längen. Hatte er das nicht mal gekonnt? Schnipp!, machte es. Hahaa!, dachte Telemann, bevor er merkte, dass das Geräusch nicht von ihm ausging, sondern von einer bronzefarbenen Frau im Wickelrock, die frech grinsend vor dem Tisch stand und mit ihrem Schmuck klapperte. Sie war bemalt, wie das eben üblich war, sie hatte jedoch außerdem einen sehr schick verzierten Bauchnabel und ebensolche Brustwarzen. Ihr Gesicht war nicht nur frech, sondern auch lebhaft, was allerdings aktuell irrelevant war, weil keiner des Trios mehr in der Lage war, solche Details mental zu verarbeiten.
"Ah! Bedienung!", krähte Pi sie an. "Bring uns einen Wein, so einen, der schwerer und schwärzer ist als Mitternachtsl-leder!" Seine Zunge war so erstaunt über diesen kohärenten, korrekten Satz, dass sie draußen hängen blieb, als die Zähne sich auf ihr schlossen. "Mh! Ng!"
"Bedienung!", rief die Frau, nochmals schnippend, "Bring uns einen Wein, der schwerer und schwärzer ist als Mitternachtsleder!" Dann ließ sie sich neben den glotzenden Pi fallen und nahm den längsten Zug aus der Pfeife, an den die blaue Kreatur sich erinnern konnte. Gut, das hieß im Augenblick nicht viel, weil seine Erinnerung kaum bis zur Tür reichte, aber beeindruckt war er nichtsdestoweniger. Telemann versuchte noch, der Form halber Fragen zu stellen. Was so Ungewöhnliches passiert sei in den letzten Tagen. Er gab sich jedoch umgehend mit der Antwort zufrieden, dass sie selbst das Ungewöhnlichste der letzten Tage waren. Sein de-facto-Vorgesetzer Pi schien sich gerade überhaupt nicht für seine Mission zu interessieren, sondern kraulte den Bauchnabel der Frau, während er Drogen in einem Ausmaß konsumierte, das einen Drachen umgehauen hätte. Mit diesem Gedanken schaute Telemann zu Pako hinüber, den es tatsächlich gerade umhaute. Egal.
Langsam wurden die Gespräche leiser, intimer. Der Barmann dimmte die Beleuchtung herunter und zog die Wandvorhänge herauf, sodass dahinter die überall vom Hauptraum abgehenden Separees sichtbar wurden. Einige davon waren ebenerdig begehbar, die meisten über ein paar Stufen oder eine Leiter, einige wenige nur mit Flügeln. Telemann machte sich mit seiner Begleiterin auf in die Richtung so eines Separees. Heute würden sie eh nichts mehr herausfinden, entschied er – schon gar nicht in diesem Zustand. Liebe Güte! Sie torkelten durch die Luft wie betrunkene Schmetterlinge und stürzten in ihre luftige Alkove ab. Unten unterdessen verlangte Pi den Pfeifenrüssel von Telemann und bemerkte erst ob der fehlenden Antwort, dass sein Führer gar nicht mehr da war. Pako war ebenfalls nicht mehr bewusst da. Er schnarchte. Es schien überhaupt kaum noch jemand da zu sein im Hauptraum der Räucherbar. Die freche Frau knetete
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