Clemens Gleich
Details aus ihrer Vergangenheit Mara ihre Stelle kosten könnten, weswegen sie ihm Dinge verraten sollte, die sie ihre Stelle kosten könnten, doch das kam ihm zu dämlich vor.
"Aber Frau Millwell, irgendwas müssen Sie doch sagen können", versuchte er stattdessen. "Eine Kleinigkeit, ein Hinweis, dem ich nachgehen kann, ein Name, eine Beschreibung... Die Öffentlichkeit..."
"Die Öffentlichkeit kann mich am Arsch lecken!", warf ihm Mara an den Kopf. "Und ihr könnt das jetzt bitte auch gegenseitig tun, dann besteht vielleicht doch noch eine geringe Chance, dass mich heut Abend noch jemand anders als die Öffentlichkeit lecken kann." Der tatsächlich interessante Typ schwankte zwischen schockiert sein und fasziniert sein und endete schließlich bei erregt sein. So gut hatte er seine Chancen gar nicht eingeschätzt. Salvin versuchte es mit dem, was er in seinem angeschickerten Zustand für perfide hielt:
"Sie haben sich nicht sehr verändert seit der Schule, oder?", fragte er mit einem lauernden Unterton.
"Bitte?!"
"Naja, immer noch auf der Suche nach Liebe und deshalb leicht ausnutzbar." Mara musste lachen.
"Das ist dein Plan? Mich mit meiner Schulzeit konfrontieren? Das ist ja wohl ein Scherz."
"Sie verstehen die Medien nicht. Wir können die banalsten Sachen zu Stories aufblasen, nach denen Sie nicht mehr auf die Straße können, ohne ausgebuht zu werden."
"'Schön, dass du das wenigstens zugibst", sagte sie und tätschelte ihm den feuchten Kopf, was sie sofort bereute. "Aber ich kann dir trotzdem nichts sagen." Sie wischte ihre Hand heimlich am tatsächlich interessanten Typen ab.
"Ein Fingerzeig würde mir doch schon reichen. Sehen Sie, ich will Sie ja gar nicht in die Sache reinziehen", log Salvin.
"Na gut, damit ich meine Ruhe habe, gebe ich dir die Beschreibung von jemand, der dir auch nichts sagen wird", rief Mara endlich mit erhobenen Armen. "Aber dann lasst ihr mich in Ruhe."
"Kommt darauf an, wer das ist."
"Ein Biotechniker."
"Gebongt."
Ein Biotechniker verließ am nächsten Tag rechtzeitig seinen Arbeitsplatz. Das kam normalerweise nur sehr selten vor. Im Augenblick lag das Niveau der Neubestellungen derart niedrig, dass der Biotechniker nichtmal ein schlechtes Gewissen ob liegenbleibender Arbeit haben musste – ein kleiner Vorteil dieser unangenehmen Zeitungsberichte. Auf der anderen Straßenseite hinter einem kleinen Brunnen kampierten Helwer und Salvin, die auf diesen Moment gewartet hatten. Beide sahen ein wenig blass aus und stellten sich so vorsichtig Kater-Nahrung in den Mund, als könnten sie bei einer falschen Bewegung alles er- und zerbrechen, weil sich ihr Schädel genau so anfühlte. Helwer wusste gar nicht mehr recht, warum er eigentlich mit diesem Typen herumhing. In Ermangelung besserer Alternativen sagte er sich jedoch immer wieder, dass diese Zusammenarbeit ihm doch ganz gut in den Kram passte. Er konnte Dinge schnell für FAK herausfinden; er musste nicht mehr warten, bis sie in der Zeitung standen. Während Helwer diesen Orientierungsgedanken nachhing, verschluckte sich Salvin fast an seinem Rollmops. Er hatte einen Biotechniker aus der Tür gehen sehen. Den einen Biotechniker. Er schüttelte Helwer, der sich daraufhin beinahe übergab, um ihn auf die beginnende Verfolgungsjagd aufmerksam zu machen, die völlig unspektakulär erstens zu Fuß ablief und zweitens gleich wieder an einem nahe gelegenen Wohnblock endete. Trotz der paar Schritte schnauften die Verfolger exzessiv, als der Verfolgte die Tür aufschloss. Sie waren wie die Irren von einer Deckung in die nächste gesprintet. Sie wollten: möglichst unauffällig sein. Sie waren: die Erinnerung des Tages für praktisch jeden Passanten zwischen den Biolabors und hier.
Ihr Ziel wohnte also hier. Was jetzt? Warten. Gerade nahm Helwer ein Inventar ihrer Essensvorräte vor, da erschien der Mann bereits wieder in der Tür. Er sah genauso aus wie vorher, weil er sich in fast dieselben Klamotten wie vorher umgezogen hatte. Er hatte vielleicht kein Verständnis des Konzepts "Bekleidungsvarianz", sondern wechselte nur, um sauber zu sein. Seine Klamotten waren graublau. Er wirkte ebenfalls etwas graublau. Er hatte sehr kurzgeschorene Haare, aber keine Glatze, er war nicht klein, wirkte aber so, er war nicht fett, aber auch nicht schlank, und er hatte lebhaft, interessiert glänzende und springende Äuglein in seinem ansonsten verkniffenen Gesicht. Ohne die zwei Verfolger eines Blickes zu würdigen, ging er mitten zwischen ihnen
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