Clemens Gleich
durch, während sie wie gelähmt dastanden. Erst nach einer peinlichen Pause rissen sie sich zusammen, um wieder zu Verfolgern zu werden.
Der zweite Verfolgungsspaziergang endete in einem netten Biergarten mit grünen Baumkronen oben und grauem, gleichmäßig gerechten Kies unten. Dort setzte sich der blaue Biotechniker unter eine Schwarzkastanie und bestellte Bier mit Abendessen. Helwer und Salvin setzten sich zu ihm, froh darüber, dass es gerade eben so voll war, dass es nicht verdächtig erschien. Sie grüßten ihn. Er grüßte zurück. Aufatmen. Bier bestellen. Saftbier – nicht zu alkoholstark, nicht zu auffällig antialkoholisch für diese Art Etablissement. Sie hielten sich lange daran fest. Sie sprachen langsam über Belanglosigkeiten. Sie nutzten also die Zeit, die ihr Tischnachbar zum Essen brauchte, um sich noch etwas zu erholen. Zu früh für Helwers Geschmack wischte sich der Mann den Mund mit der Serviette ab, die er als Signal des Essensendes auf den Teller warf. An dieser Stelle sah Salvins Plan vor, ein Streitgespräch über Fellige zu simulieren, in das der Biotechniker irgendwann einsteigen sollte:
"Tja. Weißt du, ich will gar keinen Felligen mehr. Die sind jetzt gerade einfach zu gefährlich", sagte Salvin.
"Das ist doch alles nur Meinungsmache", spulte Helwer ab. Der Biotechniker trank in selbstvergessener Seelenruhe einen Schluck Bier.
"Meinungsmache!", rief Salvin möglichst laut. "Meinungsmache! Äh... Also, ich lese jeden Tag die Zeitung, und wenn es nur Meinungsmache wäre, dann würden die nicht immer neue Skandale aufdecken." Der Biotechniker nahm noch einen Schluck Bier. Helwer nahm auch einen Schluck Bier, denn sein Problem war aktuell, dass ihm schon nichts mehr einfiel. Er hatte Kopfschmerzen. Er war müde. Er wollte seine Ruhe. Salvin sprang in die Bresche und fragte den Tischnachbarn einfach direkt:
"Was halten Sie denn davon?"
"Oh, ich weiß, dass sie sicher sind", antwortete er.
"Was macht Sie da so sicher?"
"Ich bin Experte." Salvin beugte sich nach hinten, um bei der eben vorbeilaufenden Bedienungen hinterrücks drei dunkle Whiskybier zu bestellen.
"Und was sagen Sie als Experte dazu, was die Zeitungen schreiben?", fragte Helwer derweil.
"Die haben doch wie immer keine Ahnung. Wollen eine Geschichte, die sich gut verkauft und interessieren sich für Fakten nur, wenn sie ihnen gerade in den Kram passen."
"Ja, so sind sie", lachte Helwer. "Mein Name ist Helwer, das ist Salvin. Hallo." Er gab dem Mann herzlich die Hand.
"Ich bin Alvin. Alvin Olz. Sehr erfreut." Drei dunkle Whiskybier erschienen am Tisch, wahrscheinlich ein Rekord für die Bedienung. Alvin Olz hatte ein Fragezeichen im Gesicht, denn er hatte nichts bestellt, nichts mitbekommen.
"Geht auf mich", sagte Salvin, "Das Expertenbier. Trinken Sie! Wir sind doch einfach froh, dass ein Fachmann da ist, der unsere Bedenken vielleicht ein bisschen zerstreuen kann." Alvin trank. Dann sagte er:
"Sie könnten dazu einfach die imperialen Informationsdienste nutzen, da habe ich nämlich schon alles dazu gesagt, und das sehr ausführlich."
"Ahaa!", machte Salvin. "Offizieller imperialer Beamter?"
"Ja."
"Was machen Sie denn da genau?" Alvin Olz holte lange aus. Seine Erzählung unterbrach er nur für den Moment, den es dauerte, sich zur einbrechenden Dunkelheit ins wärmere Innere der Kneipe zurückzuziehen oder für einen Schluck hochgeistigen Getränks, für dessen ununterbrochenen Nachschub Salvin sorgte.
"...und jetzt lassen die alle ihre Felligen vorzeitig verschrotten", schloss er schließlich. "Was für eine pure Ignoranz, was für eine blindgläubige, haarsträubende Dummheit!"
"Und alles nur wegen diesem einen, der in den Nachrichten ist?", fragsagte Salvin.
"Genau."
"Sagen Sie bloß, bei dem haben Sie auch mitgewirkt?"
"Na klar."
"Was war denn nun so besonders an ihm?"
"Eigentlich nichts. War halt so eine Fertigung nach genauen Kundenwünschen."
"Welche denn?" Alvin sah Salvin an. Er hatte nun schon viel Alkohol in wenig Zeit konsumiert, aber dieser Kerl kam ihm auf einmal verdächtig vor, jetzt, wo er ihn erstmals als Mensch wahrnahm statt als Unterhaltungsmedium, dem er entspannend seine Arbeit erzählen konnte.
"Das sage ich natürlich nicht", sagte Olz. Salvin bemerkte, dass er zu forsch gewesen war, konnte nunmal jedoch nicht mehr zurück, also fing er an, nervös zu werden, was die Situation nicht besser machte.
"Natürlich", beschwichtigte der Reporter, "Entschuldigung. Hat mich nur so
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