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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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dem Rezeptbuch der Engel gestohlen haben. Ihr Bœuf Bourgignon würde jeden Sternekoch vor Neid erblassen lassen. Daher leckte sich Cleo erfreut das Maul, als Magnolia eintraf, unter dem Arm ein paar spezielle Töpfe und Tüten unbekannten Inhalts.
    »Macht euch keine Sorgen«, sagte Magnolia und streifte eine Schürze über. »Vergnügt euch. Uns beiden Hübschen wird es bestens gehen. Du weißt, dass ich Katzen zum Fressen gern habe. Natürlich nur im übertragenen Sinn.«
    Ich küsste Cleo auf ihre kleine Stirn, sie legte jedoch offenbar keinen Wert auf irgendwelche Abschiedsrituale. Ihre ganze Konzentration war auf   Magnolia gerichtet, die gerade einen großen Einmachtopf auf unseren Herd wuchtete. Aber kaum saßen wir im Auto, fingen wir an, uns Sorgen um Cleo zu machen.
    »Sie ist so ein sensibles Tier«, sagte ich zu Philip. »Wahrscheinlich kriegt sie ein Trauma, weil eine Fremde im Haus ist.«
    Jedes Mal, wenn wir anriefen, versicherte uns Magnolia, dass es unserer Katze ganz gut gehe. Ich wusste nicht, was ich glauben sollte. Ganz gut konnte alles Mögliche bedeuten, sei es »ganz gut, bis auf ihr Auge, das haben ihr ein paar Elstern ausgehackt« oder auch »ganz gut, nur frisst sie leider nicht«.
    »Ich kann jetzt nicht reden«, fügte Magnolia hinzu. »Wir haben gerade eine Bouillabaisse auf dem Herd, nicht wahr, Cleo? Dann muss ich noch schnell zum Markt und ein paar frische Garnelen kaufen.«
    »Glaubt ihr, dass es Cleo gut geht?«, fragten die Mädchen.
    Wir beruhigten sie, ohne selbst wirklich überzeugt zu sein.
    Die Mädchen überredeten uns, einen Tag früher nach Hause zu fahren, weil sich Cleo bestimmt nach uns sehnen würde. Als Magnolia die Hautür öffnete, wehte uns ein wahrer Michelin-Sterne-Duft aus unserer Küche entgegen – gebratenes Fleisch mit einem Hauch Wein und Trüffel. Ein kleines dickes Tier schmiegte sich in Magnolias Armbeuge. Das Tier hatte den Ausdruck eines Filmstars im Gesicht, der auf dem Weg zur Oscarverleihung von einem kreischenden Haufen Fans begrüßt wird – »Ich sehe euch, auch wenn ihr gar nicht richtig da seid. Wenn es euch glücklich macht, könnt ihr euch meinetwegen von meinen PR-Leuten eine Autogrammkarte geben lassen.«
    »Cleo!« riefen wir und streckten ihr unsere Arme entgegen.
    Sie zögerte einen Hauch länger, als es höflich war, dann gestattete sie Magnolia, sie in Katharines Arme zu legen.
    »Sie isst einfach gerne«, sagte Magnolia lachend.
    Cleo wand sich aus Katharines Arm, dann watschelte sie in Richtung Küche davon. Sie war in den letzten zwei Wochen nicht nur ziemlich rund geworden, sie trug auch ihre Nase um einiges höher.
    »Ich werde sie vor allem nachts vermissen«, fügte Magnolia hinzu. »Es ist so niedlich, wenn sie sich in die Laken schmiegt und ihren Kopf neben mir aufs Kissen legt.«
    In mir steckte noch genug von meiner ländlichen Herkunft, um nicht mit einer Katze das Kissen teilen zu wollen, und sei es auch unsere angebetete Katzengöttin. Und kochen wie Magnolia konnte ich auch nicht.
    Ich weiß nicht, ob wir allein deswegen eine solche Strafe verdienten. Vielleicht war Cleo aber auch einfach nur wütendauf uns, weil wir sie alleingelassen hatten. Ach, wahrscheinlich legte sie uns eine ganze Reihe von Verbrechen zur Last. Jedenfalls verlieh sie ihren Gefühlen deutlich Ausdruck, als sie genau in der Mitte unseres Bettüberwurfs einen Haufen hinterließ.
     
    In der Folge engagierten wir stets eine Katzenhüterin, wenn wir wegfuhren. Während einer dieser Gelegenheiten fiel Cleo ein Küchenstuhl auf den Schwanz, der fortan an der Spitze einen Knick hatte. Die Katzenhüterin entschuldigte sich tausendmal. Es sei sogar Blut geflossen. Katharine vergoss bittere Tränen. Cleos Schwanzspitze blieb zwar bis zum Schluss empfindlich, aber sie erwartete keinerlei Mitleid. Sie trug ihren geknickten Schwanz mit demselben Stolz zur Schau wie ein Kavallerist seine auf dem Schlachtfeld erworbenen Narben. Jemandem, der ihr eine bleibende Verletzung zugefügt hatte, zu vergeben, war für sie so selbstverständlich wie atmen.
    Ich wünschte, ich hätte dasselbe Talent in der Kunst des Vergebens. Wir Menschen halten an unseren Verletzungen fest und pflegen sie, und das oft genug zu unserem eigenen Schaden. Allzu bereitwillig nehmen wir die Rolle des Opfers an. Katzen sind dagegen tatsächlich häufig genug Opfer falscher oder grausamer Behandlung durch den Menschen, und waren das schon immer. Im Mittelalter wurden sie zu Tausenden gejagt

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