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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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Christchurch
     
    PS: Ich habe Ihre Kolumne über die Jahre stets mit großem Vergnügen gelesen.
     
    Ich las den Brief wieder und wieder. Als ich die Ereignisse dieses Tages aus der Perspektive eines anderen Menschen durchlebte, eines Fremden, der jedoch ein großes Herz hatte, war ich zutiefst erschüttert. Ich konnte nicht hoffen, dass mein Antwortbrief meine Dankbarkeit auch nur annähernd ausdrückte. Bei einem sterbenden Kind zu bleiben, musste großen Mut erfordert haben, genauso wie es Mut erfordert haben musste, den Brief zu schreiben. Sein Schreiben schenkte mir mehr Ruhe, als ich mir durch ein Treffen mit der Verursacherin des Unfalls hätte erhoffen können.
    Ich hüte diesen Brief bis zum heutigen Tage wie einen Schatz. Das Wissen, dass Sam nicht allein und nicht unter Schmerzen gestorben ist, hat mich sehr getröstet.
    Die Welt muss voll mit stillen Helden wie Arthur Judsonsein, Menschen, die stehen bleiben, wenn irgendwo ein Unfall geschehen ist, auch wenn es einfacher wäre, weiterzugehen. Die ihren eigenen Seelenfrieden aufs Spiel setzen, um einem Menschen den größten Trost zu spenden, den er überhaupt erfahren kann – nicht allein zu sterben. Dann verschwinden sie spurlos, wie Engel.

 
    33
    K onversion
    Hüten Sie sich vor überzeugten Konvertiten.
    Sie langweilen Sie womöglich mit Katzengeschichten.
     
    »Das ist aber ein süßes kleines Kätzchen!«, rief eine Passantin, als sie Cleo sphinxähnlich auf unserem Gartenweg sitzen sah.
    »Sie ist kein Kätzchen«, erklärte ich. »Im Gegenteil, sie ist schon sehr alt.«
    »Wirklich? Dabei wirkt sie so … jung.«
    Wenn wir die Gene, die Cleo mit jedem Tag, den sie älter wurde, jünger aussehen ließen, geschäftlich nutzen hätten können, dann besäßen wir bereits mehrere Strandhäuser, eine Yacht und eine Jahreskarte fürs Spaceshuttle. Ich erklärte mir dieses Phänomen vor allem mit der Einstellung. Ihrer, natürlich. Das Altern war keine Tragödie, was Cleo anging. Sie brachte dem Ganzen bestenfalls Verachtung entgegen.
    Frauen in den Wechseljahren hätten nichts mehr zu befürchten, wenn sie sehen könnten, wie bereitwillig Cleo ihre jugendliche Geschmeidigkeit ablegte und sich zu einem zunehmend herrischen, unverzichtbaren Haushaltsvorstand entwickelte. Als Hohepriesterin der Familie hielt sie mit ihrer Meinung zu den verschiedensten Angelegenheiten nicht zurück, sei es, ob ihr Fisch fein genug zermatscht war oder zu welcher Zeit ihre Sklaven morgens aufzustehen hatten. Jeder, der nicht zur Morgendämmerung auf den Beinen war,musste mit einem schrillen Weckruf von Cleo vor seiner Zimmertür rechnen.
    Auch ich kam in eine Phase, in der ich meine Meinung bereitwilliger äußerte. Ich hatte zwar schon längst die Hoffnung aufgegeben, dass ich die Welt verändern könnte, glaubte aber doch, sie hätte das Recht, meine Ansichten über die gegenwärtige Regierung oder die erbärmlichen Fahrkünste von Blondinen hinter dem Steuer von Geländewagen zu hören. Es fehlte nur, dass ich auf mein Autodach einen Lautsprecher montierte, über den ich andere Fahrer und Fußgänger darüber in Kenntnis setzte, in welcher Weise sie ihre Mitbürger, sich selbst und die Welt im Allgemeinen gefährdeten.
    Wie es sich gehörte, leerte sich langsam unser Nest. Lydia setzte ein Jahr an der Uni aus, um in Costa Rica Englisch zu unterrichten. Rob ging für einige Zeit nach London, wo er in einer Weinhandlung arbeitete. Wenn Rob und ich einen Beweis für unsere starke innere Bindung brauchten, dann mussten wir nur versuchen, uns anzurufen. Oft wählten wir nämlich exakt zur gleichen Zeit die Nummer des anderen, obwohl wir in völlig verschiedenen Zeitzonen lebten. Noch heute ist häufig bei ihm besetzt, wenn ich ihn zu erreichen versuche, weil er genau in diesem Moment denselben Impuls hatte.
    »Du errätst nie, wer sich bei mir gemeldet hat«, sagte er eines Tages und man konnte die Aufregung aus seiner Stimme heraushören. »Chantelle. Sie ist hier in London und unterrichtet in einer Schule in einem dieser Problemviertel.«
    Als er erzählte, dass sie einen Freund hatte, wurde ich ein bisschen traurig. Sympathischer Typ, versicherte Rob mir, ein australischer Surfer, wobei man sich natürlich fragte, was ein Wellenreiter während des langen englischen Wintersmit sich anfing. Nicht dass Rob einsam war, er wohnte mit einer Krankenschwester aus Queensland zusammen. Liebe ist oft eine Frage des richtigen Zeitpunkts und des Zufalls: Chantelle würde für Rob

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