Cleopatra
geht schon in Ordnung«, erwiderte ich.
»So werden Sie nie reich«, erklärte er geduldig. »Van Duyn stellt es geschickter an. Wir sind zehn Minuten bei ihm gewesen und er rechnet eine Beratung von einer Stunde ab. Der zählt garantiert noch die Zeit dazu, die wir in seinem Wartezimmer sitzen durften.« Er zog eine Brieftasche hervor, die prall mit Banknoten gefüllt war, und zupfte zwei Hundert-Gulden-Scheine heraus. Vielleicht verwalteten sie die Gewerkschaftskasse.
»Soll ich eine Quittung schreiben?«, bot ich an.
»So was brauche ich nicht. Wenn Sie alles korrekt machen wollen, mit Mehrwertsteuer und so, dann schreiben Sie einfach zum Schluss eine Rechnung. Mir ist es egal.«
»Was machen Sie eigentlich beruflich?«, fragte ich.
Willem grinste und legte das Geld auf den Schreibtisch. »Mein Sohn und ich handeln mit Automobilen«, sagte er feierlich. »De Groot Autopalast, wenn man in Richtung Monnickendam fährt, kann man es gar nicht verfehlen. Kommen Sie ruhig mal vorbei, wir haben bestimmt auch was für Sie dabei. Das ist ein Beruf mit goldenem Boden, sage ich Ihnen, jedenfalls, wenn man ein bisschen auf Zack ist. Komm, Gerrit, dann kann Herr Winter loslegen.«
Seine Hand legte sich um meine wie ein Schraubstock.
Sein Sohn schenkte mir ein gezwungenes Lächeln. »Ich möchte nicht ins Gefängnis für etwas, das ich nicht getan habe«, sagte er nervös.
Willem nahm seinen Sohn an der Schulter und schob ihn zur Tür. »Mach dir mal keine Sorgen, mein Junge, Herr Winter findet schon eine Lösung. Wir werden die Sache schon deichseln.«
Sie zogen die Tür hinter sich zu. Ich hörte, wie sie durch den Flur gingen und die Haustür öffneten und schlossen.
Es wurde still; die Art von peinlicher Stille, die eintritt, wenn jemand einen Witz erzählt hat und keiner lacht. Ich konnte momentan wirklich keinen Fall der Sorte »Diverses« gebrauchen, für die jede Polizeiwache besser ausgerüstet war als ich, aber irgendwie hatte ich es nicht fertig gebracht, nein zu sagen und sie hinauszuwerfen. Ich zog das Telefon zu mir hin, um endlich Lonneke Cleveringa anzurufen.
»Hallo Lonneke, hier Max Winter.«
Sie war sauer. »Ich habe die ganze Woche versucht, Sie zu erreichen. Ich wollte Sie sprechen.«
»Ich komme gerade von einer kurzen Urlaubsreise zurück.«
»Urlaub?«, wiederholte sie in vorwurfsvollem Ton.
»Mehr oder weniger. Darüber wollte ich ja gerade mit Ihnen reden. Da Sie mich auch sprechen wollen, trifft sich das gut. Beim letzten Mal hatte ich das Gefühl, Sie würden mich auch gern bei sich zu Hause empfangen, und das ist mir ganz recht.«
»Das habe ich nie behauptet«, sagte sie gereizt, wahrscheinlich weil sie sich ertappt fühlte. »Ich kannte Sie nicht und ich hatte die Putzfrau da.«
»Sollen wir uns vielleicht irgendwo treffen? Dann können wir uns da weiter streiten. Ich hätte heute Abend Zeit. Was halten Sie von dem hübschen Restaurant an der Ecke am Wasser, in Muiden, das ist bei Ihnen ganz in der Nähe und trotzdem neutrales Terrain.«
Kurze Stille. »Sie meinen zum Essen?«
»Das macht man so in Restaurants.«
»Ich muss erst einen Babysitter …« Sie zögerte erneut und sagte dann kurz entschlossen: »Okay. Ich weiß, welches Restaurant Sie meinen. Ich werde um sieben Uhr da sein.«
Ich wollte noch etwas sagen, aber sie hatte schon aufgelegt. Ich hatte meine Hand noch auf dem Hörer, als das Telefon wieder klingelte.
»Max Winter.«
Die Stimme klang heiser, wie gebrochen. »Herr Winter, endlich.«
»Ich war eine Woche …«
»Hier spricht Leo Lampert; Sie haben sich vor kurzem mit meiner Frau unterhalten.«
Jetzt fiel mir der flämische Akzent auf.
»Ja, in Ypern.« »Sie haben sie nie zurückgerufen.«
»Zurückgerufen?«
Sein Atem ging laut, ein wenig rau. »Ich würde Sie sehr gerne sprechen. Es geht um Irene …«
Ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich. »Was ist denn mit Irene?«
»Irene ist letzte Woche beerdigt worden.«
Mein Kopf brummte, ich konnte kein Wort herausbringen. Ich bemerkte, dass ich meine freie Hand an die Brust gedrückt hielt, als müsse ich mein Herz auffordern weiterzuschlagen.
»Was ist passiert?«, fragte ich schließlich.
Er fing an zu stottern. »Ich … ich kann hier schlecht weg, ich weiß nicht, wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe macht …«
»Ich komme sofort zu Ihnen.« Ich schaute auf die Uhr. »Ich kann so gegen sechs bei Ihnen sein.« Mitten im Berufsverkehr, hätte ich beinah hinzugefügt. Rotterdam, Antwerpen, Gent
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