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Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Gastgeberinnenpflichten widmen. Eine junge Frau wie sie sollte ohnehin nicht rauchen . ruiniert ihren Hals ... Sie sind Sandilands, nicht wahr? Der Detective? Hören Sie, ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten. In einer beruflichen Angelegenheit ... ich bin sicher, Sie verstehen das ... Würde Ihnen morgen Vormittag passen?«
    Joe lächelte. »Sir Hector, es ist mir eine Freude, Sie auf meine Liste zu setzen.«
    Der Zeitpunkt war gekommen, dass Claude diskret hüstelte und die Aufmerksamkeit der sechs Herren und vier Damen auf sich lenkte, die die Abendgesellschaft bildeten. Nachdem sich der Maharadscha in die Zenana zurückgezogen hatte, war Vyvyan nun der Gastgeber, zusammen mit Ihrer Dritten Hoheit, die zur Gesellschaft zurückgekehrt war und nun daneben stand, während Claude die Gäste zu Paaren gruppierte und sie bat, ihm in den Speisesaal zu folgen.
    Die Gesellschaft ging in einen kleineren, aber gleichermaßen prachtvollen Raum, in dem ein massiver Kristalltisch in europäischem Stil für zehn Personen gedeckt war. Der Raum war doppelt so hoch und wurde von Kerzen und Öllampen beleuchtet. An der Decke hing ein elektrischer Lüster aus der Hand desselben Designers und ließ das Silberbesteck und die filigranen Gläser funkeln. An der hohen Decke befanden sich außerdem mehrere Ventilatoren, die sich rhythmisch drehten und die Luft zwar nicht kühlten, aber doch wenigstens erträglich machten. Die Illusion der Kühle wurde von dem Blau und Weiß der bemalten Wände unterstrichen sowie der bleichen, glatt polierten Schönheit des eierschalenfarbenen Bodens. Joe nahm die erfrischende Szenerie in sich auf und dachte, wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Temperatur drastisch zu senken, dann hätte man das Gefühl, sich im Innern eines Gletschers zu befinden.
    Joe fiel auf, dass Claude Shubhada seinen Arm anbot, was absolut korrekt war, da sie die Dame mit dem höchsten Rang war und erwarten durfte, dass man sie an ihren Platz am Fußende des Tisches geleitete, gegenüber von Claude, der am Kopfende saß. Joe missfiel allerdings der Blick, den Shubhada über die gleichermaßen ausdruckslosen Gesichtszüge von Lois Vyvyan gleiten ließ, die am Arm von Sir Hector ging. Ob Lois die ständige gesellschaftliche Herabsetzung widerstrebte, die sie unvermeidlicherweise erdulden musste? Oder hatte sie sich mit der machtvollen Position ihres Gatten und ihrer eigenen unterstützenden Schattenrolle abgefunden?
    Joe war dankbar, dass er Madeleine geleiten durfte. Er hakte ihren zitternden Arm rasch bei sich unter, denn er spürte, dass sie nach drei Glas Champagner in Folge kaum noch geradeaus gehen konnte. Nachdem er ihr auf ihren Stuhl geholfen hatte (unglaublicherweise schienen sogar die Stühle aus Kristall gefertigt), sah er sich am Tisch um, neugierig, wie die Vyvyans die scheinbar unmögliche Aufgabe gelöst hatten, diese inhomogene Gruppe zu platzieren. Er fand sich zwischen Madeleine zu seiner Linken und Shubhada zu seiner Rechten wieder und bereitete sich auf einen unangenehmen Abend vor. Seine schlimmsten Befürchtungen erfüllten sich jedoch nicht. Ein Blick auf die vielsagenden, grauen Augenbrauen von Sir Hector, der ihm gegenüber saß, genügte, um die Botschaft »Vorsicht! Sturmböen voraus!« zu empfangen, und die beiden Männer machten sich entschlossen daran, fröhlich und redselig zu sein. Madeleine schwieg, in ihre eigenen Gedanken versunken, und Shubhada, die sich daraufhin nicht veranlasst sah, mit ihr zu konkurrieren oder sie auf ihren Platz zu verweisen, ignorierte sie vollständig und beschränkte ihre Konversation auf das aufgesetzt leutselige und belanglose Geplapper der beiden Männer an ihrer Seite.
    Lois Vyvyan saß zur Rechten des Doktors und direkt gegenüber von Madeleine. Sie war vollkommen gelöst und brachte es fertig, mit ihren Tischnachbarn zu plaudern und gleichzeitig mit diskreten Kopfbewegungen und Gesten das Personal anzuleiten. Joe beobachtete sie verstohlen und stellte fest, dass sie ihn immer mehr faszinierte. Allmählich kam er zu dem Schluss, er müsse vielleicht seinen ersten, ungünstigen Eindruck revidieren.
    Shubhada saß auf dem Platz der ranghöchsten Dame, aber es war Lois, die sich an die Gäste wandte, als der erste Gang serviert wurde. »Sie werden feststellen, dass wir heute Abend im europäischen Stil speisen«, verkündete sie. »Udai hat vor kurzem einen Koch direkt aus der Küche des Hotels Ritz in Paris angeheuert, und wir haben die Ehre, die Ersten zu sein,

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