Clovis Dardentor
Communicationsweg von Aïn-Temouchent mit der staatlichen Landstraße nach Sidibel-Abbès verbindet. Um drei Uhr erfolgte die Ankunft an der Brücke nach Mouzen, an der Stelle, wo sich der gleichnamige Oued mit einem seiner Nebenflüsse vereinigt, und um vier Uhr da, wo die beiden vorgenannten Straßen sich ein wenig unterhalb Sidi-Kraleds und wenige Kilometer von Sidi-Lhassen treffen, nachdem sie ein Stück weit den Lauf des Mekerra – d. i. der Name, den der Sig hier annimmt – begleitet haben.
Sidi-Lhassen bildet eine Art Vorwerk mit sechshundert Einwohnern, meist Deutschen und Eingebornen. Hier sollte nicht gehalten werden.
Plötzlich – es war etwa halb fünf Uhr – machte das Mehari des an der Spitze reitenden Führers einen Seitensprung. Vergeblich suchte er, ihm zuzureden, das Thier weigerte sich zu gehorchen und wich immer weiter zurück.
Fast gleichzeitig bäumten sich die unruhig gewordenen Pferde der jungen Leute und ließen ein erschrecktes Wiehern hören. Trotz Sporens und Zügels drängten sie sich nach den Wagen hin, deren Gespanne ebenso ein auffallendes Entsetzen verriethen.
»Was giebt es denn?« fragte Clovis Dardentor.
Schnüffelnd und in der Ferne etwas witternd, kauerte sich sein Mehari eben nieder.
Auf seine Frage antwortete ein doppeltes Gebrüll, über dessen Natur sich niemand täuschen konnte. Es kam etwa hundert Schritte weit aus einem Piniendickicht hervor.
»Da sind Löwen!« rief der Führer.
Begreiflicher Weise packte die Karawane der Schrecken. Solche Raubthiere in unmittelbarer Nähe und am hellen Tage, Bestien, die gewiß schon zum Sprunge ausholten…
Voller Entsetzen beeilten sich Frau Elissane, Frau Désirandelle und Louise, ihren Wagen zu verlassen, dessen Maulthiere die Stränge zu zerreißen suchten, um zu entfliehen.
Zuerst wollten die Damen, die Herren Désirandelle Vater und Sohn und Herr Oriental ganz instinctiv zurücklaufen und sich nach dem einige Kilometer entfernten Vorwerk flüchten.
»Alle da bleiben!« rief da aber Clovis Dardentor mit so befehlender Stimme, daß er sich passiven Gehorsam erzwang.
Frau Désirandelle hatte übrigens die Besinnung verloren. Die Pferde und die Kameele hatten der Führer und die Eingebornen im Handumdrehen fest zusammengekoppelt, so daß diese nicht ausreißen konnten.
Marcel Lornans war nach dem zweiten Wagen gelaufen und brachte mit Hilfe Patrice’s Gewehre und Revolver herbei, die sofort geladen wurden.
Dardentor und Marcel Lornans erhielten die Gewehre, Jean Taconnat und Moktani ergriffen Revolver. Alle hielten sich bei einer Gruppe von Terpentinsichten an der linken Böschung der Straße zusammen. Hier in der öden Landschaft war auf keine Hilfe zu rechnen.
Von neuem dröhnte das Gebrüll und fast gleichzeitig tauchte am Waldsaume ein Raubthierpaar auf.
Als noch ein Schuß krachte… (S. 227.)
Es war ein Löwe und eine Löwin von außerordentlicher Größe, deren gelbliches Fell lebhaft gegen das dunkle Grün der Aleppopinien abstach.
Würden sich die Thiere nun auf die Karawane stürzen, die sie mit glühenden Augen anstarrten, oder würden sie, von der Zahl der Gegner erschreckt, in das Gehölz zurückweichen und den Weg freigeben?
»Mit einem solchen Menschen ist nichts anzufangen.« (S. 228)
Zuerst thaten sie nur langsam einige Schritte nach vorwärts und ließen dabei ein leises Knurren vernehmen.
»Daß niemand sich rührt, ermahnte Herr Dardentor, wir werden unsre Sache schon machen!«
Marcel Lornans warf einen Blick auf das junge Mädchen. Wieder zu sich gekommen, doch wachsbleich und mit entstellten Zügen, suchte sie ihre Mutter zu beruhigen. Dann traten Jean Taconnat und er, zehn Schritte über die Bäume hinaus, neben Clovis Dardentor und Moktani heran. Eine Minute später krachte, da die Raubthiere sich genähert hatten, der erste Schuß. Der Perpignaneser hatte auf die Löwin gefeuert, diesmal aber hatte ihn seine gewöhnliche Gewandtheit im Stich gelassen, und nur am Halse gestreift, stürzte das Thier unter schrecklichem Brüllen auf die Männer zu. Als in demselben Augenblicke auch der Löwe heransprang, gab Marcel Lornans auf ihn Feuer.
»Ich Ungeschickter!« rief Herr Dardentor wegen seines verfehlten Schusses.
Marcel Lornans brauchte sich einen solchen Vorwurf nicht zu machen, denn er hatte den Löwen an der Schulter getroffen. Die dicke Mähne mochte die Kugel aber abgeschwächt haben, so daß sie nicht tödtlich wirkte, und mit verdoppelter Wuth sprang das Thier
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