Club Dead
gelangten Pam und Chow nicht - dafür entging ihnen aber im Erdgeschoß auch nicht das kleinste Detail.
Als die beiden sich endlich an dem alten Tisch aus Kiefernholz niedergelassen hatten, an dem bereits ganze Generationen der Familie Stackhouse ihre Mahlzeiten einzunehmen pflegten, hatte ich das dumpfe Gefühl, in einem Museum zu wohnen, dessen Bestand gerade neu katalogisiert worden war. Ich holte drei Flaschen TrueBlood aus dem Kühlschrank, wärmte sie in der Mikrowelle, schüttelte jede einzelne Flasche sorgsam durch und knallte sie vor meinen Gästen auf den Tisch.
Chow, der erst seit ein paar Monaten im Fangtasia arbeitete, war im Grunde ein Fremder für mich. Ich nahm an, er habe sich in die Bar eingekauft, wie der andere Barmann vor ihm es ebenfalls getan hatte. Chow war stark tätowiert in einem akkuraten, asiatisch anmutenden Muster in Dunkelblau, so liebevoll ausgeführt und fein ziseliert, daß die Tätowierungen fast wie vornehmer Kleiderstoff wirkten. Dieser Körperschmuck unterschied sich in einem solchen Maße von der Dekoration Marke Eigenbau aus dem Gefängnis, die den Mann, der mich überfallen hatte, geschmückt hatte, daß man kaum glauben mochte, daß beide Tätowierungen für dieselbe Kunstrichtung standen. Ich hatte mir sagen lassen, Chows Tätowierungen wiesen ihn als Mitglied der Yakuza aus, aber bisher hatte ich nie genug Mut aufgebracht, ihn direkt danach zu fragen, zumal es mich ja auch eigentlich nichts anging. Sollte es sich bei den Tätowierungen aber wirklich um das Muster dieses Clans handeln, dann war Chow für einen Vampir noch nicht sehr alt. Ich hatte mir nämlich Informationen über die Yakuza besorgt und festgestellt, daß Tätowierungen in der langen Geschichte dieser kriminellen Organisation eine (relativ) neue Entwicklung markierten. Chows Haar war lang und schwarz (was nun wirklich nicht weiter verwunderte), und mir war von vielen Seiten her zugetragen worden, eine Menge Kunden kämen nur seinetwegen ins Fangtasia. Er arbeitete in der Regel mit freiem Oberkörper, hatte jedoch an diesem Abend ein Zugeständnis an die knackige Kälte im Land gemacht und sich eine rote Weste mit Reißverschluss übergezogen.
Ich konnte nicht anders: Bei Chows Anblick schoß mir der Gedanke durch den Kopf, ob der Mann sich wohl je wirklich nackt fühlte, wo doch sein Körper so durchgehend verziert war. Ich wollte, ich hätte ihn danach fragen können, aber so etwas kam natürlich nicht in Betracht. Chow war die einzige Person asiatischer Abstammung, die ich je kennengelernt hatte, und auch wenn wir alle rein theoretisch ja genau wissen, daß Individuen nie als repräsentativ für die gesamte Rasse gelten können, erwartet man doch irgendwie, daß sich zumindest ein paar Verallgemeinerungen als stimmig erweisen. Chow wirkte äußerst zurückhaltend, ohne jedoch schweigsam und bitter zu sein. Gerade schwatzte er vergnügt mit Pam, allerdings leider in einer Sprache, die ich nicht verstand. Dabei lächelte der Vampir mich in einer Art und Weise an, die mich sehr verunsicherte. Vielleicht war er gar nicht so rätselhaft, wie ich gedacht hatte. Wahrscheinlich zog er mich bloß auf irgendeine beleidigende Art und Weise nach Strich und Faden durch den Kakao, und ich war zu blöd, das mitzukriegen.
Pam trug, wie eigentlich immer, die nichtssagende, anonyme Kleidung der Mittelschicht: an diesem Abend eine weiße lange Hose aus irgendeinem Strickmaterial, dazu einen blauen Pullover. Ihr blondes Haar floß schimmernd, glatt und offen über ihren Rücken. Sie sah aus wie Alice im Wunderland mit Fangzähnen.
„Habt ihr noch mehr darüber rauskriegen können, was mit Bill ist?" fragte ich, nachdem alle drei Vampire einen Schluck Blut getrunken hatten.
„Ein wenig schon", sagte Eric vorsichtig.
Ich verschränkte die Hände im Schoß und wartete.
„Ich weiß nun sicher, daß Bill entführt wurde", fuhr Eric fort, woraufhin sich das Zimmer vor meinen Augen eine ganze Sekunde lang im Kreis zu drehen schien. Hastig holte ich tief Luft, um das Schwindelgefühl wieder loszuwerden.
„Wer?" Korrekte Grammatik war im Moment wahrlich nicht meine Hauptsorge.
„Das können wir nicht mit Gewißheit sagen", erklärte Chow. „Die Zeugenaussagen stimmen nicht überein." Chow sprach ein sehr klares Englisch, wenngleich mit deutlichem Akzent.
„Überlaßt die Zeugen doch mir", sagte ich daraufhin. „Wenn es sich um Menschen handelt, bekomme ich die Wahrheit schon heraus."
„Das wäre die logische
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