Club Dead
sprang auf. Wir umarmten einander enthusiastisch und kräftig, nicht wie bei sonstigen Treffen, bei denen wir es bei einer nicht halb so begeisterten, eher förmlichen Umarmung zu belassen pflegten. Club Dead war Neuland für uns; hier waren wir beide Fremde in einem fremden Land.
Tara ist ein paar Zentimeter größer als ich, hat dunkle Augen, dunkles Haar und olivfarbene Haut. An diesem Abend trug sie ein langärmliges Kleid aus einem weichen Stoff in Gold- und Bronzetönen, der schimmerte, wenn sie sich bewegte. Dazu trug sie Schuhe mit ungemein hohen Absätzen, wodurch sie ebenso groß war wie ihr Begleiter.
Gerade hatte ich mich aus der stürmischen Umarmung gelöst und Tara einen letzten, freundschaftlichen Klaps auf den Rücken gegeben, als mir auch schon klar wurde, daß dieses Zusammentreffen ausgerechnet hier, ausgerechnet heute das Schlimmste war, was mir überhaupt hätte widerfahren können. Rasch schaltete ich mich in Taras Gedanken ein, und es war genau, wie ich mir gedacht hatte: Sie wollte mich gerade fragen, warum ich mit einem Mann unterwegs war, bei dem es sich nicht um Bill handelte.
„Hey, Lieblingsfreundin, komm doch kurz mit mir Hände waschen!" bat ich sie daraufhin fröhlich, und brav schnappte Tara sich ihre Handtasche, nicht ohne ihrem Begleiter das perfekte Abschiedslächeln zuzuwerfen: halb Entschuldigung, halb Versprechen. Ich verabschiedete mich von Alcide mit einem fröhlichen Winken, entschuldigte mich bei den anderen Männern, und dann entfernten wir beide uns schleunigst in Richtung Toiletten, die von dem kleinen Flur abgingen, der zur Hintertür der Bar führte. Zum Glück war gerade niemand in der Damentoilette. Damit das auch so blieb, schloß ich die Tür und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Mir gegenüber stand Tara, tausend Fragen im Gesicht.
„Tara, bitte, erzähl nichts von Bill. Erzähl überhaupt nichts über Bon Temps."
„Willst du mir sagen, warum nicht?"
„Nun ..." Verzweifelt versuchte ich, mir eine halbwegs plausible Begründung einfallen zu lassen, aber mir wollte einfach keine in den Kopf kommen. „Tara, es kostet mich das Leben, wenn du den Mund nicht hältst."
Sie zuckte zusammen und warf mir einen prüfenden Blick zu. Wer hätte das nicht getan? Aber Tara hatte in ihrem Leben schon allerhand mitgemacht und war ein zäher, wenn auch verwundeter Vogel. „Ich habe mich so gefreut, dich zu sehen", sagte sie. „Ich habe mich dort in der Gruppe ziemlich allein gefühlt. Wer ist dein neuer Freund, und was ist er?"
Ich vergesse immer wieder, daß andere Menschen so etwas nicht von allein herausfinden können. Dazu kommt, daß ich manchmal fast vergesse, daß andere Menschen nichts von Werwölfen und Gestaltwandlern ahnen. „Landvermesser", sagte ich. „Komm, ich mache euch miteinander bekannt."
Am Tisch strahlte ich erst einmal alle anwesenden Männer ganz herzlich an und entschuldigte mich dafür, daß ich so schnell wieder verschwunden war. „Da habe ich ganz meine guten Manieren vergessen!" Dann machte ich Alcide mit Tara bekannt, und Alcide machte einen angemessen erfreuten Eindruck. Danach war Tara an der Reihe: „Sookie", sagte sie, „darf ich dir Franklin Mott vorstellen?"
„Freut mich sehr, Sie kennenzulernen", erwiderte ich höflich und hatte meine Hand schon ausgestreckt, ehe mir klar wurde, daß ich damit einen Faux Pas beging. Vampire schütteln sich nicht die Hand. Ich entschuldigte mich hastig, zog die Hand zurück und winkte dem Vampir einfach nur kurz zu. „Wohnen Sie hier in Jackson, Mr. Mott?" erkundigte ich mich dann, fest entschlossen, Tara durch mein Verhalten nicht in Verlegenheit zu bringen.
„Nennen Sie mich doch bitte Franklin", erwiderte der Vampir. Er hatte eine wunderbare, samtweiche Stimme und einen leichten italienischen Akzent. Er mochte Ende fünfzig, Anfang sechzig gewesen sein, als er starb; die Haare auf seinem Kopf und sein Schnurrbart waren stahlgrau, sein Gesicht von feinen Linien gezeichnet. Er wirkte sehr kraftvoll und ungeheuer männlich. „Ja, ich wohne in Jackson", fuhr er fort, „aber mein Unternehmen hat Zweigstellen hier, in Ruston und in Vicksburg. Tara habe ich auf einem Treffen in Ruston kennengelernt."
Langsam, aber sicher kam die Maschinerie in Gang, die für einen reibungslosen Ablauf höflicher gesellschaftlicher Konversation zuständig ist. Wir erklärten den Männern, daß wir zusammen die High School besucht hatten; dann bestellten alle etwas zu trinken. Die Vampire entschieden sich
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