Club Dead
stark war: stark dank Erics Blut.
An der Wand neben der Tür hing ein Regal voller interessanter Dinge wie Feuerhaken und Zangen. Eine Zange! Sofort stellte ich mich auf Zehenspitzen und nahm mir eine Zange aus dem Regal, wobei ich ein heftiges Würgen unterdrücken mußte, als ich bemerkte, womit sie besudelt war. Die Zange war verklebt mit einer Schicht - ach, einfach schrecklichem Zeug. Dann hob ich das Werkzeug hoch zu dem Nagel, an dem die Schlüssel hingen, und es gelang mir, obwohl die Zange recht schwer war, die Schlüssel zwischen die beiden Zangenbacken zu klemmen und vom Nagel zu schieben. Des weiteren schaffte ich es auch noch, die Zange wieder so weit zu senken, daß ich mir die Schlüssel schnappen konnte. Erleichtert, aber auch so leise, wie man überhaupt nur atmen kann, stieß ich einen tiefen Seufzer aus. So schwer war das ja gar nicht gewesen.
Es sollte sich bald erweisen, daß dies die letzte leichte Aufgabe gewesen war, vor der ich im Rahmen dieses Unterfangens stand. Nun kam die schreckliche Arbeit, Bill auszuwickeln. Ich strengte mich sehr an, so gut wie keinen Lärm zu machen, nach Möglichkeit gar nicht mit den Ketten zu klirren, aber es war erstaunlich schwierig, die einzelnen glänzenden Stränge zu entwirren. Sie schienen einfach an Bill festzukleben, dessen ganzer Körper steif vor Anspannung war.
Irgendwann verstand ich, worum es ging: Bill bemühte sich nach Leibeskräften, nicht laut loszuschreien, während ich die Kettenglieder aus seiner verbrannten Haut löste. Da drehte sich mir der Magen um, und ich mußte meine Arbeit mehrere kostbare Sekunden lang einstellen, während ich ganz vorsichtig und tief Atem holte. Wenn es mir schon derart schwerfiel, dieses Leiden mit anzusehen, wieviel schwerer mußte es dann für Bill sein, es zu erdulden?
Da nahm ich noch einmal all meine mentalen Kräfte zusammen und machte mich erneut ans Werk. 'Was getan werden muß, das kann eine Frau auch tun!' hatte mir meine Großmutter immer versichert. Nun stellte sich wieder einmal heraus, wie recht meine Oma auch hierin gehabt hatte.
Man hatte die Silberketten meterweise - und das ist wortwörtlich zu verstehen - um Bill herumgeschlungen, und es nahm viel mehr Zeit in Anspruch, als mir eigentlich lieb war, ihn leise und vorsichtig wieder auszuwickeln. Andererseits wäre mir wohl jede Zeitspanne zu lang vor gekommen - in meinem Rücken lauerten Gefahren, ich atmete Unheil ein und wieder aus, mit jedem Atemzug mußte ich mir die Katastrophe vergegenwärtigen. Bill war sehr schwach, und nun, wo die Sonne aufgegangen war, mußte er sich sehr anstrengen, um überhaupt wach zu bleiben. Es half, daß der Tag recht düster war, aber sobald die Sonne höher stand, würde mein Freund nicht mehr wirklich in der Lage sein, sich zu bewegen, ganz egal, wie trübe der Himmel draußen war.
Das letzte Kettenende glitt zu Boden.
„Du mußt aufstehen", flüsterte ich meinem Liebsten ins Ohr. „Du mußt wirklich! Ich weiß, wie weh dir das tut, aber ich kann dich nicht tragen." Ich ging zumindest davon aus, daß ich nicht in der Lage sein würde, Bill zu tragen. „Draußen steht ein Lincoln, der Kofferraum ist offen. Ich wickle dich in die Decke hier und lege dich in den Kofferraum, und dann verschwinden wir. Hast du mich verstanden, Baby?"
Bills dunkles Haupt neigte sich den Bruchteil eines Zentimeters.
Genau in diesem Moment fand meine Glückssträhne ihr Ende.
„Wer zum Teufel sind denn Sie?" verlangte eine weibliche Stimme mit einem schweren ausländischen Akzent zu wissen. Jemand war durch die Tür getreten, die in meinem Rücken lag.
Unter meinen Händen zuckte Bill merklich zusammen. Ich wirbelte herum, um mich der Stimme zu stellen, während ich mich gleichzeitig bückte, um den Pfahl aufzuheben, und da war sie auch schon über mir.
Da hatte ich mir nun eingeredet, die würden alle den Tag über in ihren Särgen sein, aber Pustekuchen! Hier war eine, die ihr Bestes gab, mich umzubringen.
Wäre meine Angreiferin nicht ebenso überrascht gewesen wie ich, dann hätte ich die nächste Minute nicht überlebt. So gelang es mir, meinen Arm aus ihrem Griff zu winden und mich so zu drehen, daß ich hinter Bill stand, mein Gesicht dem Stuhl zugewandt. Die Fangzähne der fremden Vampirin waren voll ausgefahren, und sie zischte mich über den Kopf meines Liebsten hinweg wütend an. Sie war blond wie ich, aber mit braunen Augen und weit zierlicher, eine eher winzige Frau. Sie hatte getrocknetes Blut an den
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