Club Dead
klar, daß Russel diesen Raum nicht zum ersten Mal als Folterkammer benutzte. Mitten im Zimmer saß Bill, mit silbernen Ketten an einen einfachen Stuhl mit gerader Rückenlehne gefesselt.
Die ganzen letzten Tage hatte ich mich mit ungeheuer verworrenen Gefühlen und einer mir gänzlich unvertrauten Umgebung herumschlagen müssen; nun schien es mir mit einem Schlag, als nähme meine Welt wieder erkennbare Konturen an.
Alles war klar und eindeutig: Hier saß Bill, und ich würde ihn retten.
Nachdem ich im Schein der nackten Glühbirne, die von der Decke baumelte, meinen Liebsten in aller Ausführlichkeit hatte betrachten können, wußte ich ganz genau, daß ich alles tun würde, um ihn zu retten.
Ein solch dramatischer Anblick hatte sich mir noch nie in meinem ganzen Leben geboten.
Brandwunden bedeckten Bills Körper überall dort, wo die silbernen Ketten ihn gefesselt hielten. Ich wußte, welche Schmerzen Vampire beim Kontakt mit Silber verspüren, von daher wußte ich auch, welche Qualen Bill gerade durchlebte. Nicht nur mit Hilfe der Ketten hatte man ihm die Haut versengt, auch andere Mittel waren dafür eingesetzt worden. Noch dazu hatte er so viele Schnittwunden, daß er nicht in der Lage war, sie von sich aus zu heilen. Man hatte ihn hungern lassen und am Schlafen gehindert. In sich zusammengesunken hing er vornübergebeugt im Stuhl und ich wußte, daß er die vorübergehende Abwesenheit seiner Folterer nutzte, um sich, so gut es ging, rasch ein wenig zu erholen. Sein dunkles Haar hing ihm blutverkrustet ins Gesicht.
Außer der Tür, durch die ich gekommen war, gab es noch zwei weitere aus dem fensterlosen Raum, von denen die eine, die zu meiner Rechten, in eine Art Schlafsaal führte. Diese Tür stand offen, und ich konnte ein paar Betten erkennen. Auf dem einen lag lang ausgestreckt und in voller Montur ein Mann, der von der Welt nicht mehr viel mitbekam. Einer der Werwölfe, zurück vom monatlichen Gelage. Er schnarchte mit offenem Mund, und seine Kinnpartie zierten dunkle Flecken, die ich mir wirklich nicht genauer ansehen wollte. Leider konnte ich den Rest des Schlafsaals nicht einsehen, weswegen ich nicht sicher hätte sagen können, ob dort unter Umständen noch weitere Werwölfe schlummerten oder nicht. Wollte ich auf Nummer Sicher gehen, so war es bestimmt angesagt, mit der Anwesenheit weiterer Wächter zu rechnen.
Die zweite Tür ganz am Ende des Raums führte weiter in die Garage hinein und war unter Umständen der Zugang zur Treppe, die hinauf in die Wohnungen im ersten Stock führte. Ich hatte aber nicht mehr die Zeit, dies genauer zu untersuchen. Mir saß ein Gefühl der Dringlichkeit im Nacken, das mich anstachelte, Bill hier so rasch wie irgend möglich rauszuschaffen. Ich zitterte, so eilig hatte ich es plötzlich, so unumgänglich schien es mir, hier schnell wieder zu verschwinden. Bis jetzt hatte ich enormes Glück gehabt. Ich durfte auf gar keinen Fall darauf zählen, daß es anhielt.
Entschlossen trat ich zwei Schritte näher an Bill heran.
Ich bekam genau mit, wann er meine Witterung aufnahm, wann er wußte, daß ich es war.
Bills Kopf fuhr hoch, und mit glühenden Augen funkelte mein Liebster mich an. Auf seinem dreckverschmierten Gesicht breitete sich herzzerreißende Hoffnung aus. Warnend hob ich den rechten Zeigefinger. Dann trat ich geschwind, aber lautlos hinüber zur Tür, die in den Schlafsaal führte und zog sie zu, ohne das Schloß jedoch einrasten zu lassen. Danach stellte ich mich hinter den Stuhl, auf dem Bill hockte und besah mir ausführlich die Ketten, in die mein Freund gewickelt war. Die Ketten waren mit zwei winzigen Vorhängeschlössern gesichert, wie wir sie alle von den Sicherheitsketten an den Schließfächern in der Schule her kennen. „Schlüssel?" hauchte ich Bill ins Ohr. Er besaß noch einen einzigen Finger, den sie ihm nicht gebrochen hatten, und mit dem deutete er nun auf die Tür, durch die ich hereingekommen war. Dort hingen an einem Nagel ziemlich weit oben zwei Schlüssel, und zwar genau so, daß Bill sie immer vor Augen hatte. Natürlich hatten diese Folterknechte auch an solche Kleinigkeiten gedacht! Ich legte die Wolldecke samt Pfahl vor Bills Füße, schlich über den fleckenübersäten Fußboden zur Wand neben der Eingangstür und reckte mich, so hoch ich konnte, ohne jedoch an die Schlüssel heranzukommen. Für einen Vampir, der schweben konnte, wäre es kein Problem gewesen, sie zu erreichen. Das erinnerte mich daran, daß ich ja zumindest
Weitere Kostenlose Bücher