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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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war schon offene Flegelei. Aber Kusmenko schluckte es. Rutsch mir den Buckel runter, dachte er, ich nehme die Oma zu einem Spaziergang mit nach draußen und unterhalte mich dort in Ruhe mit ihr.
    Iwetta Tichonowna erkannte ihn sofort wieder und fragte streng: »Warum hat das so lange gedauert? Ich habe verlangt, daß Sie sofort kommen. Ich habe sehr wichtige Informationen.«
    »Verzeihen Sie, eher konnte ich nicht«, erwiderte Kusmenko liebenswürdig. »Sie haben meine volle Aufmerksamkeit. Was möchten Sie mir mitteilen?«
    »Die Pistole hat der Junge genommen, vom Komitee der Afghanistan-Veteranen. Und danach hat jemand sie wieder in die Schublade zurückgelegt. Ich denke, das war die Ehefrau von diesem Mann.«
    »Iwetta Tichonowna, bitte alles der Reihe nach«, sagte der Major seufzend, mit dem Gefühl, daß er schon wieder seine Zeit vergeudete. »Was für ein Junge war bei Ihnen? Wie sah er aus?«
    »Wenn die Leute sich unmoralisch benehmen, nimmt das immer ein schlimmes Ende. Sie steht ja schon in der Zeitung! Ein Glück nur, daß ihre Eltern diese Schande nicht mehr erleben mußten!«
    »Wo? In welcher Zeitung?«
    Es hatte keinen Sinn. Gontschar hatte leider völlig recht. Für dieses Geschwätz hätte er nicht bis ans andere Ende von Moskau fahren und so viel Zeit verlieren müssen.
    »Überhaupt muß die Miliz etwas gegen diese sogenannte demokratische Presse unternehmen. So geht das doch nicht weiter! Ich habe den Artikel extra ausgeschnitten und aufbewahrt. Eine Schweinerei ist das!« Die Guskowa preßte die Lippen zusammen und wandte sich ab, als müsse sie noch einmal diese nur ihr bekannte »Schweinerei« erdulden.
    »Darf ich einen Blick auf diesen Artikel werfen?« fragte Kusmenko resigniert.
    »Jetzt nicht. Er liegt bei mir zu Hause. Aber ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Ich bin nicht verrückt, wie manche meinen. Die Zeitung heißt ›Kiss‹. In lateinischen Buchstaben geschrieben, das ist Englisch und bedeutet ›Kuß‹. Meine Nachbarin hat sie mir gebracht. Maria Petrowna ist eine seriöse, anständige Frau, sie hält es für ihre Pflicht, darauf zu achten, wofür sich ihr minderjähriger Enkel interessiert. Der Junge ist gerade mal fünfzehn und liest solche Zeitungen. Das ist eure Demokratie und eure neue Erziehung! In diesem Boulevardblättchen wird ganz offen überalle möglichen geschlechtlichen Perversionen geschrieben, über diese entsetzlichen, herumzappelnden Musiker und nackten Mädchen, solche, die das beruflich machen, sich nackt zu zeigen, meine ich. Zu alledem drucken sie auch noch Farbfotos. Und in diesem Blatt, das müssen Sie sich vorstellen« – Iwetta Tichonowna riß dramatisch die Augen auf und machte eine effektvolle lange Pause –, »sehe ich plötzlich ein Foto von Olga! Von meiner Olga!«
    »Wie, auch nackt?« Der Major konnte sich nicht beherrschen.
    »Nein, Gott behüte. So weit ist es noch nicht gekommen.« Die Alte fuchtelte abwehrend mit den Armen. »Man hat sie in irgendeinem Café fotografiert, zusammen mit dem Sohn eines berühmten Schauspielers. Sein Name ist dort genannt, er soll ein Spielcasino besitzen und mit einer bekannten Ballerina verheiratet sein.«
    Die Guskowa hatte sich im Ärmel des Majors festgekrallt und schnatterte so schnell, daß sie kaum noch Luft bekam.
    »Iwetta Tichonowna, lassen sie uns über den jungen Mann sprechen, der zu Ihnen in die Wohnung gekommen ist«, unterbrach Kusmenko sie vorsichtig. »Können Sie sich daran erinnern, wann genau er bei Ihnen war?«
    »Natürlich kann ich das. Ich habe mein ganzes Leben im Bildungswesen gearbeitet, da ist der erste Schultag für mich immer ein besonderer Tag. Der Junge kam einen Tag danach, am zweiten September vormittags, so gegen elf.«
    »Wie sah er aus?«
    »Ein ganz junger Kerl, nicht älter als achtzehn. Sehr mager, ein sympathisches Gesicht, mit Schnurrbart. Er brachte Lebensmittel, gute Sachen – Schinken, Käse, Orangensaft, Pralinen. Solche Pralinen hat mir später auch Margarita mitgebracht, sehr lecker, mit verschiedenen Füllungen.«
    »Margarita Krestowskaja?« fragte der Major.
    »Ja. Sie ist ein sehr gut erzogenes, aufmerksames Mädchenund besucht uns oft. Eine Freundin von Olga seit dem ersten Schuljahr.«
    »Bitte beschreiben Sie den jungen Mann doch noch etwas genauer. Größe, Haarfarbe, vielleicht auch etwas Auffälliges im Gesicht.«
    »Die Haare hab ich nicht gesehen. Er trug eine schwarze Ledermütze und hat sie nicht abgenommen, als er hereinkam. Mittelgroß, ein

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