Club Kalaschnikow
Krebs, ja?« Bogdanow wurde nachgiebiger. Das waren Dinge, die er verstand. Und vor allem stellte die Orlowa keine Forderungen, bestand nicht aggressiv auf ihrem Recht. Sie bat einfach nur um Hilfe.
»Ja, Krebs. Ihr wurde, entschuldigen Sie die Einzelheiten, die rechte Milchdrüse entfernt.«
»Was?« Bogdanow begriff nicht. »Was für eine Drüse?«
»Die rechte Brust ist ihr weggeschnitten worden«, erklärte Katja ruhig. »Es sollte daher nicht allzu schwierig sein, sie zu finden, wenn sie im Krankenhaus ist. Können Sie uns nicht sagen, an wen wir uns wenden müssen und wie wir uns überhaupt in dieser Situation verhalten sollen?«
Bogdanow fiel sofort die am Morgen auf der Baustelle gefundene Leiche ein. Im Krankenhaus? dachte er mit bittererIronie. Im Leichenschauhaus ist eure Swetlana. Oje, gleich wird die Mutter losheulen. Denn das ist sie, bestimmt. Eine große Blondine, Jeans, weißer flauschiger Pullover, dem Aussehen nach Anfang dreißig.
»Warten Sie hier einen Moment.« Er stand auf und ging über den Flur in das Büro, in dem die Leute vom Einsatzkommando saßen.
Als Ella Anatoljewna erfuhr, daß sie ins Leichenschauhaus mußte, um eine Tote zu identifizieren, schluckte sie krampfhaft und krallte ihre Finger in Katjas Arm.
»Es wäre gut«, sagte der Einsatzleiter, »wenn Sie mitkämen.«
»Selbstverständlich«, sagte Pawel.
Katja war noch nie in einem Leichenschauhaus gewesen, sie kannte den Seziersaal und die Zinktische mit den Körpern darauf nur aus dem Kino. Als das Laken vom toten Gesicht Sweta Petrowas weggezogen wurde, bemühte sie sich mit aller Kraft, die Fassung zu bewahren. Sie dachte daran, daß es Ella Anatoljewna in diesem Moment viel schlechter ging und sie ihre eigenen Gefühle besser vergaß.
»Ja, das ist Sweta«, flüsterte Ella Anatoljewna mit blau verfärbten Lippen. »Was hat sie da am Hals?«
»Das ist ein Strangulationsstreifen. Würgemale«, erläuterte die Ärztin, eine mollige junge Frau in grünem Kittel.
»Nach dem offiziellen Gutachten ist der Tod durch Asphyxie aufgrund mechanischer Erdrosselung eingetreten. Am Körper wurden keinerlei äußere Verletzungen festgestellt, es gibt keine Spuren eines Kampfes. Die vorläufige Version lautet Raubmord«, teilte der Einsatzleiter mit monotoner Stimme mit. »Ella Anatoljewna, fühlen Sie sich jetzt in der Lage, meine Fragen zu beantworten?«
Die Petrowa nickte lebhaft, schwankte plötzlich und fiel dann langsam auf Katja, die sie untergehakt hatte. Pawel konnte sie noch rechtzeitig auffangen.
»Nichts Schlimmes, nur eine Ohnmacht«, sagte die Pathologin, die an der Identifizierung teilgenommen hatte, und hielt der Petrowa einen Wattebausch mit Salmiakgeist vors Gesicht.
Kapitel 24
Boris erwachte spät und in freudiger Erregung. Schon lange hatte er nicht mehr so wunderbar ausschlafen können. Gewöhnlich weckte Siwka ihn schon in aller Herrgottsfrühe, aber hier im Keller konnte er schlafen, solange er wollte, und den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen. Niemand sagte ein Wort.
Eine Uhr hatte er nicht, aber er war schon seit langem imstande, die Zeit mit einer Genauigkeit von plus-minus zehn Minuten zu fühlen. Jetzt zogen die Minuten sich in die Länge, er wußte nicht, wie er sie füllen sollte. Vorm Dunkelwerden herauszukommen wagte er nicht, er wälzte sich auf seinem Lager, qualmte die Kippen auf, von denen er die ganze Tasche voll hatte, hustete, kratzte sich den verlausten Kopf und scheuchte die Ratten weg.
Ab und zu schlummerte er ein und sah im Traum ein stilles Wäldchen am Rande von Moskau, wo im Juli viele Erdbeeren wachsen. Am Waldrand flimmert es einem rot vor den Augen von den großen Beeren. An den kräftigen Baumstümpfen drängen sich ganze Schwärme von kräftigen roten Pfifferlingen, die gebraten und mit saurer Sahne so lecker schmecken. Am Waldrand steht ein russisches Bauernhaus mit einem weißgetünchten russischen Ofen und einem Vorratskeller, in dem gesalzener, in saubere Tücher gewickelter Speck und ein ganzes Faß mit Gewürzgurken aufbewahrt wird. Auf dem gedeckten Tisch in der Stube steht immer eine Flasche »Perzowka«.
All das sah Boris so klar und deutlich wie einen Fernsehfilm.Besonders lebendig war die rotbackige, gutmütige Bauersfrau. Die Wange auf die runde Patschhand gestützt, blickte sie Boris mit liebevollen blauen Augen an. Sie würde sich nicht mit ihm prügeln wie Siwka, sie kochte ihm Kohlsuppe, machte knackiges Sauerkraut mit Moosbeeren und sang schöne
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