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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Plastiktisch und ein Fenster mit fröhlich karierten Gardinen geben, sie würden frische Wurst und richtige Butter statt Margarine essen und abends drei Stück Zucker in den Tee tun statt eins. Dort würden sie ein schönes Schlafzimmer mit Schleiflackschrankwand und Lackfußboden haben, und dort könnte man auf der neuen, mit ausländischem Velours bezogenen Liege ein Kind zeugen.
    Die Jahre gingen vorbei. Irina war schon über dreißig. Mit ihrer Gesundheit stand es nicht zum besten, ständig hatte sie irgendwelche Frauenleiden. Sie wurde nicht schwanger, aber darum machte sie sich keine Sorgen. Allihre Gedanken und Gefühle kreisten um Geld, um Kalkulationen und Zahlen. Fragte man sie, wie spät es sei, antwortete sie »eins dreißig« statt »halb zwei«.
    Wenn sie manchmal doch an ein Kind dachte, dann begann sie unwillkürlich sofort zu rechnen – wieviel kosteten die Windeln, wieviel Seife und Waschpulver würde sie für die Wäsche brauchen. Was mußte man für Bettchen, Kinderwagen, Strampelanzug anlegen. Und wenn es zu laufen begann? Wieviel Schuhe würde es brauchen! Schrecklich!
    Allmählich wurde das ungeborene, noch nicht einmal gezeugte Kind zu einem weiteren ärgerlichen Kostenfaktor und damit zu einem Hindernis auf dem Weg in ein neues, glückliches Leben in einer eigenen Wohnung.
    Schließlich gestand Irina sich emotionslos ein, daß sie gar kein Kind wollte, daß sie überhaupt nichts anderes wollte als eine eigene, saubere Küche. Aus irgendeinem Grund wurde für sie nicht das Wohnzimmer oder das Bad, sondern die Küche mit dem weißen Plastiktisch und den karierten Gardinen zum Symbol des vollkommenen Glücks.
    Die Mitarbeiter an dem kleinen Institut wurden, wie viele sowjetische Arbeiter und Angestellte, einmal im Jahr medizinisch untersucht. Die Untersuchung war nicht obligatorisch, aber wenn sie während der Arbeitszeit stattfand, nahmen alle daran teil. Irina, die ein ordentlicher, gesetzestreuer Mensch war, unterzog sich brav allen vorgeschriebenen Untersuchungen.
    Als sie zur Gynäkologin ging, war sie darauf vorbereitet, zum x-ten Mal von ihrem Frauenleiden zu hören, von dem eigentlich keine weitere Gefahr drohte außer der Unfruchtbarkeit und das man im Prinzip leicht behandeln konnte. Gewöhnlich nickte sie zur Antwort, nahm die Überweisungen zu weiteren Untersuchungen in Empfang und vergaß die Sache bis zum nächsten Jahr. Wenn sie erst einmal die Wohnung hatte – dann würde sie auch ihr bequemes Leiden auskurieren.
    Auch dieses Mal füllte die Gynäkologin, eine ältere rundliche Frau, die eine Brille mit dicken Gläsern trug, die Überweisungsformulare aus, erwähnte allerdings mit keinem Wort Irinas Leiden.
    »Jetzt haben wir also Oktober«, sagte sie nachdenklich, »November, Dezember – Ende Januar gehen Sie dann in Schwangerschaftsurlaub.«
    »Was?« fragte Irina verständnislos. »Was für ein Urlaub?«
    Die Ärztin blickte sie interessiert an.
    »Schwangerschaftsurlaub. Mitte April wird es dann kommen.«
    »Was wird kommen? Wovon reden Sie?« schrie Irina außer sich.
    »Was? Das weiß ich auch nicht.« Die Ärztin zuckte die Schultern. »Es kommt, wie Gott es gibt. Vielleicht ein Junge, vielleicht auch ein Mädchen …«
    »Aber ich – ich habe doch diese Verwachsungen. Das ist doch nicht möglich. Nein, das kann nicht sein!«
    »Moment mal, wissen Sie etwa noch gar nichts davon? Sie sind schon im dritten Monat.«
    Irina stöhnte auf und wurde bleich.
    »Warum sind Sie denn so erschrocken? Sie sind verheiratet und schon fünfunddreißig. Es wird Zeit, meine Liebe. Die Verwachsungen haben sich von selbst gelöst. Das kommt vor.«
    »Und eine Abtreibung?« flüsterte Irina hoffnungsvoll. »Geben Sie mir eine Überweisung, bitte.«
    »Was reden Sie?« Die Ärztin schüttelte den Kopf. »Machen Sie Witze? Im dritten Monat!«
    Irina fing an zu weinen. In ihrem Kopf begann sich mit rasender Geschwindigkeit ein Zähler zu drehen: ein Meter Kattun – ein Rubel zwanzig, Flanell – zwei Rubel achtzig, Mull für die Wickelunterlagen …
    Jewgeni nahm die wichtige Neuigkeit vollkommen ruhig auf.
    »Was sollen wir’s noch länger hinauszögern? Das ist doch völlig in Ordnung. Die Swekolnikowa aus der Planabteilung hat auch gerade ein Kind gekriegt, da hat man ihnen gleich eine Wohnung zugeteilt, zur Verbesserung der Lebensbedingungen.«
    »Du bist vielleicht naiv! Ihr Mann arbeitet bei einer Rüstungsfirma! Deshalb haben sie die Wohnung gekriegt!« schrie Irina.
    »Schon gut,

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