Cobra - Forsyth, F: Cobra - Cobra
Regen von Blumen und Küssen dort einmarschiert war. Nur in der kleinen Altstadt gibt es noch die eleganten Villen aus dem achtzehnten Jahrhundert. Der gigantische Europoort ist eine moderne zweite Stadt aus Stahl, Glas, Beton, Chrom, Wasser und Schiffen.
Der größte Teil der enormen Ölmengen, die Europa in Gang halten, wird auf Inseln aus Rohren und Pumpen weit außerhalb der Stadt angeliefert, aber Rotterdams zweite Spezialität ist der Containerhafen – nicht ganz so groß wie der in Hamburg, jedoch ebenso modern und automatisiert.
Der holländische Zoll war in Zusammenarbeit mit der Polizei aufgrund »dienstlich bekannt gewordener Informationen«, wie die altehrwürdige Formulierung lautete, in Aktion getreten und hatte einen leitenden Zollbeamten namens Peter Hoogstraten enttarnt und verhaftet.
Hoogstraten war clever und raffiniert, und er hatte sich vorgenommen, die Vorwürfe zu entkräften. Er wusste, was er getan und auf welche Bank er die Schmiergelder eingezahlt hatte – genauer gesagt, wo das Kartell sie für ihn eingezahlt hatte. Er gedachte sich zur Ruhe zu setzen, und er gedachte jeden Cent zu genießen. Er hatte nicht die leiseste Absicht, etwas zu gestehen oder auch nur irgendetwas zuzugeben. Er würde die Karte der »Bürgerrechte« und der »Menschenrechte« ausspielen, und zwar bis zuletzt. Beunruhigend war nur eins: Woher wussten die Behörden so viel? Irgendjemand, irgendwo, hatte ihn verpfiffen. Das stand fest.
Die Niederlande halten sich viel auf ihre ultraliberale Einstellung zugute, aber sie sind Gastgeber einer gewaltigen kriminellen Unterwelt, und vielleicht liegt es gerade an ihrer extremen Toleranz, dass ein großer Teil dieser Unterwelt in den Händen europäischer und nichteuropäischer Ausländer liegt.
Hoogstraten arbeitete vorrangig für eine der beteiligten Banden, und zwar für eine türkische. Er kannte die Regeln des Kokainhandels. Die Ware gehörte dem Kartell, bis sie aus dem Übersee-Containerhafen auf die Autobahnen der Europäischen Union rollte. Dann gehörte sie der türkischen Mafia, die fünfzig Prozent vorausgezahlt und weitere fünfzig Prozent bei Lieferung zu begleichen hatte. Eine Lieferung, die dem holländischen Zoll in die Hände fiel, war ein schmerzhafter Verlust für beide Parteien.
Die Türken würden Ersatz für ihre bestellte Ware brauchen und sich weigern, noch einmal zu bezahlen. Aber auch die Türken hatten Kunden, die Stoff bestellt hatten und Lieferung verlangten. Hoogstratens Fähigkeit, Überseecontainer und andere Frachten durchzuwinken, war sehr wertvoll und wurde extrem gut bezahlt. Er war nur ein Rädchen in einem Prozess, der zwischen dem kolumbianischen Dschungel und einer holländischen Dinnerparty ohne Weiteres zwanzig verschiedene Teilnehmer erfordern konnte, die alle ihren Anteil verlangten, aber er war ein entscheidendes Rädchen.
Das Missgeschick ergab sich aus einem privaten Problem von Chefinspektor van der Merwe. Er hatte sein gesamtes Berufsleben beim Königlich-Niederländischen Zoll verbracht. Drei Jahre nach seinem Eintritt war er zur Zollkriminalabteilung gekommen, und im Laufe der Jahre hatte er Unmengen von Schmuggelware abgefangen. Doch diese Jahre hatten auch ihren Tribut gefordert. Er hatte eine vergrößerte Prostata und trank viel zu viel Kaffee, was seiner schwachen Blase zusetzte. Seine jüngeren Kollegen unterdrückten ein Grinsen darüber, aber als Leidtragender sah er nicht, was daran witzig sein sollte. Und mitten in der sechsten Vernehmung Peter Hoogstratens musste er einfach mal raus.
Das hätte kein Problem sein dürfen. Er nickte dem Kollegen an seiner Seite zu und verkündete eine kurze Pause. Der Kollege sagte: »Vernehmung unterbrochen um …«, und schaltete das digitale Aufzeichnungsgerät ab. Hoogstraten verlangte eine Zigarette, was bedeutete, dass er in den Raucherraum gebracht werden musste.
Die politische Korrektheit verbot es, aber die Bürgerrechte erlaubten es. Van der Merwe sehnte sich nach seinem Pensionärsdasein in dem Haus auf dem Land bei Groningen mit seinem geliebten Gemüse- und Obstgarten, wo er für den Rest seines Lebens verdammt noch mal tun und lassen konnte, was er wollte. Die drei Männer standen auf.
Van der Merwe wandte sich ab, und der Saum seines Jacketts streifte die Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag. Der braune Ordner drehte sich um neunzig Grad, wobei ein Blatt Papier herausrutschte. Darauf stand eine Zahlenkolonne. Eine Sekunde später war das Blatt wieder in
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