Cobra - Forsyth, F: Cobra - Cobra
weiter.
Für die Sinaloas war das eine Kriegserklärung, und sie nahmen den Fehdehandschuh auf. Die Golfleute und ihre Freunde in La Familia wussten nicht, warum, denn sie hatten niemanden verpfiffen, aber ihnen blieb nichts anderes übrig, als zurückzuschlagen. Als Henker engagierten sie die Zetas, eine Bande, die die blutrünstigsten Mordaufträge übernahm.
Als der Januar 2012 kam, wurden Sinaloa-Gangster bereits dutzendweise abgeschlachtet. Die mexikanischen Behörden, das Militär und die Polizei standen einfach daneben und bemühten sich, die Hunderte von Leichen einzusammeln.
»Was genau tun Sie da eigentlich?«, fragte Cal Dexter die Cobra.
»Ich demonstriere die Macht der gezielten Desinformation«, sagte Paul Devereaux, »die einige von uns in den vierzig Jahren des Kalten Krieges auf die harte Tour kennenlernen mussten.«
In jenen Jahren war allen Geheimdiensten klar, dass die verheerendste Waffe gegen jeden feindlichen Dienst – gleich nach einem echten Maulwurf im Gefüge dieses Dienstes – die Überzeugung des Gegners war, einen solchen Maulwurf bei sich zu haben. Jahrelang war Devereaux’ Vorgänger James Angleton von dem Verdacht besessen gewesen, die Sowjets hätten einen Maulwurf in der CIA , und dieser Verdacht hätte den Dienst beinahe zerrissen.
Auf der anderen Seite des Atlantiks hatten die Briten jahrelang erfolglos versucht, den »Fünften Mann« zu identifizieren (nach Burgess, Philby, Maclean und Blunt). Karrieren wurden zerstört, wenn der Verdacht auf den Falschen fiel.
Devereaux, der sich in jenen Jahren vom grünen Collegeabgänger in die Führungsebene der CIA hocharbeitete, hatte das alles beobachtet und daraus gelernt. Und aus dem, was er im Laufe des vergangenen Jahres gelernt hatte, ergab sich für ihn der einzige Grund, weshalb er die Zerschlagung der Kokainindustrie für möglich hielt, während andere rasch aufgegeben hatten: Zwischen Kartellen und Banden auf der einen Seite und Spionagediensten auf der anderen bestand eine ausgeprägte Ähnlichkeit.
»Beides sind geschlossene Bruderschaften«, erklärte er Dexter. »Sie haben komplexe und geheime Initiationsriten. Ihre einzige Nahrung ist ein Misstrauen, das an Paranoia grenzt. Sie sind loyal gegen den Loyalen, aber blindwütig gegen den Verräter. Und jeder Außenseiter ist verdächtig, einfach weil er von außen kommt.
Oft vertrauen sie sich nicht einmal ihren eigenen Frauen und Kindern an, geschweige denn außenstehenden Freunden, und deshalb neigen sie dazu, nur mit ihresgleichen Umgang zu haben. Infolgedessen verbreiten sich Gerüchte wie ein Buschfeuer. Gute Informationen sind lebenswichtig, versehentliche Falschinformationen bedauerlich, aber geschickte Desinformation kann tödlich sein.«
Vom ersten Tag seiner Untersuchungen an hatte Devereaux begriffen, dass sich die Situation in den USA in einer entscheidenden Hinsicht von der in Europa unterschied. In Europa gab es zahlreiche Einfallstore für die Droge, aber neunzig Prozent der amerikanischen Versorgung kamen über Mexiko, ein Land, das nicht ein Gramm davon selbst herstellte.
Während die drei mexikanischen Giganten und die diversen kleineren Kartelle übereinander herfielen, sich um das verringerte Angebot balgten und wegen wiederholter Angriffe immer wieder neue Racheakte ausführten, wurde das, was nördlich der Grenze zunächst eine Knappheit gewesen war, zu einer Dürre. Bis zu diesem Winter war es für die amerikanischen Behörden ein ständiger Grund der Erleichterung gewesen, dass der Irrsinn südlich der Grenze auch dort blieb. Aber in diesem Januar kam die Gewalt über die Grenze.
Um die mexikanischen Banden zu desinformieren, hatte die Cobra nichts weiter tun müssen, als die mexikanische Polizei mit einer Lüge zu füttern. Die erledigte dann den Rest. Nördlich der Grenze war es weniger einfach. Doch in den USA gibt es zwei andere Vehikel zur Verbreitung von Desinformationen. Das eine ist das Netz Tausender Radiosender, manche so zwielichtig, dass sie tatsächlich im Dienst der Unterwelt stehen, und andere, die jungen und rasend ehrgeizigen Moderatoren als Plattform dienen, sogenannten »Shock-Jocks«, die nur darauf brennen, reich und berühmt zu werden. Denen liegt wenig an journalistischer Sorgfalt, aber sie haben einen unersättlichen Appetit auf sensationelles »Exklusivmaterial«.
Das andere Vehikel ist das Internet und sein bizarrer Sprössling, das Blog. Mit Hilfe der genialischen Technologie Jeremy Bishops erfand die Cobra
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