Cobra
tödlicher Cobra-Kampfkraft von heute Morgen berücksichtigte. Und soweit es ihn betraf, durfte der Junge ihn gerne für den Rest der Nacht beschatten.
Er hoffte nur, Challinor hatte nicht daran gedacht, auch die Eldjarns beobachten zu lassen.
Der Morgen dämmerte frisch und klar, und nur ein paar schuppenförmige Zirruswölkchen störten das tiefe Blau des Himmels. Irgendwie erschien es Jonny nicht richtig, dass der aventinische Himmel am Tag von MacDonalds Begräbnis und nach seiner eigenen ruhelosen, von Alpträumen geplagten Nacht so freundlich aussah. Immerhin, gutes Wetter verhieß eine große Zahl von Zuschauern beim Begräbnis, und diese lockten sicherlich eine Menge von Challinors Cobras an. Vielleicht stand Aventine am Ende doch auf seiner Seite.
Er fühlte sich ein wenig ermutigt, frühstückte gut, duschte und rasierte sich und trat um acht Uhr dreißig im großen Dienstanzug der Cobras aus dem Haus.
L’est und Taber, die so müde aussahen, wie er sich fühlte, erwarteten ihn. »Morgen, Moreau«, sagte L’est und maß ihn von Kopf bis Fuß. »So schick habe ich dich seit dem Tag der Landung nicht mehr gesehen.«
»Zu freundlich«, erwiderte Jonny kurz angebunden. »Wenn du nichts dagegen hast, ich bin zu einer Beerdigung unterwegs. Du musst bestimmt auch irgendwohin.« Er drückte sich zwischen den beiden durch und ging steifbeinig die Straße hinunter.
Sie folgten ihm. »Es gibt ungefähr hundert Orte, wo ich lieber hinginge«, meinte L’est, »und ungefähr tausend Menschen, deren Gesellschaft ich vorziehen würde. Aber Tors ist offenbar der Ansicht, dass dich jemand an die Leine nehmen muss.«
Jonny schnaubte. »Challinor konnte immer schon gut mit Worten umgehen. Wovor, zum Teufel, habt ihr Angst – dass ich bei Kens Beerdigung einen Aufstand anzetteln könnte?«
»Es hat keinen Sinn, ein Risiko einzugehen«, meinte Taber gleichgültig. »Bis jetzt war es in Ariel friedlich, aber bei Massenzusammenkünften besteht immer die Gefahr, dass sie außer Kontrolle geraten. Eine Demonstration der Macht ist die beste Methode zu verhindern, dass irgendjemand auf verrückte Ideen kommt.«
Jonny sah sich nach ihm um. »Das klingt nicht mehr so vollkommen überzeugt«, meinte er. »Machen dir Challinors selbstherrliche Methoden zu schaffen?«
Taber schwieg mehrere Schritte lang. »Ich habe MacDonald auch gemocht«, meinte er schließlich. »Aber Challinor hat Recht. Die Regierung hier hat versagt.«
»Es gibt auch ohne Rebellion Wege, das zu verbessern …«
»Das reicht«, unterbrach ihn L’est. »Die Zeit für politische Plaudereien ist um.«
Jonny biss die Zähne fest aufeinander, aber eigentlich hatte er keine andere Reaktion erwartet. L’est würde nicht einfach tatenlos danebenstehen, während er zusätzlich Wasser auf die Mühlen jener Unsicherheit goss, die Taber an den Tag zu legen begann. Vielleicht jedoch – nur vielleicht – war bereits genug davon vorhanden, so dass sie von ganz allein weiterliefen. Ob es noch rechtzeitig dazu kam, war eine völlig andere Frage.
Seit dem letzten Landungstagfest hatte Jonny den Square nicht mehr so voller Menschen gesehen. In der Mitte, auf zwei hüfthohen Podien, ruhten die offenen Särge. Vom Rand des Platzes aus waren MacDonalds Gesicht und seine gefalteten Hände so gerade eben zu erkennen. Zwischen den Särgen, auf dem einzigen sichtbaren Stuhl, saß Pater Vitkauskas. Jonny ging weiter durch nach links und umrundete die Menge, bis er auf einer Höhe mit dem Fußende von MacDonalds Sarg stand. Er sah sich um und entdeckte mindestens sechs weitere von Challinors Cobras, die in lockerer Formation am Rand der Menschenmenge in seiner Nähe standen. Offenbar waren ihre Positionen so gewählt, dass sie von der leichten Bodenerhebung einen besseren Überblick über das Gelände hatten. Anscheinend befürchtete Challinor tatsächlich Schwierigkeiten mit den Zuschauern.
»Guten Morgen, Moreau«, raunte eine Stimme hinter ihm. Jonny drehte sich um und sah, wie Challinor auf L’est zutrat. »Gut besucht, findest du nicht auch?«
»Äußerst gut«, meinte Jonny kühl. »Ken war sehr beliebt. Ihn umzubringen war vermutlich dein größter Fehler.«
Challinor ließ den Blick kurz über die Menge schweifen, bevor er zu Jonny zurückkehrte. »Ich will doch hoffen, du bist nicht so dumm und versuchst, das auszunutzen«, warnte er Jonny mit einem leichten Unterton von Nervosität in der Stimme. »L’est, Taber und ich werden die ganze Zeit hinter dir
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