Cobra
Sache?«
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie ihr Vater die Stirn in Falten legte. »Wie meinst du das?«, fragte er vorsichtig.
»Hat Monse versucht, dich oder Onkel Corwin dazu zu verleiten, dass ihr ihn angreift? Wollte er euch schlecht aussehen lassen?« Sie drehte sich wieder um und sah ihm ins Gesicht. »Ich weiß nicht, ob du bereits ins Netz gesehen hast, aber praktisch vom selben Augenblick an, als Monse ins Krankenhaus eingeliefert wurde, brach eine absolute Flutwelle der Verdammnis über die Sache los. Die hatten gar keine Zeit zu reagieren – diese Leute hatten sich die Wörter bereits zurechtgelegt und brauchten nur noch zuzuschlagen.«
Justin zischte zwischen den Zähnen hindurch. »Ich gebe zu, der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Und das Beste hast du noch nicht einmal gehört: Monse wird’s lebend überstehen, und das, obwohl er ein paar Zweier-Fingerspitzenlaserstöße mitten in die Brust gekriegt hat. Möchtest du vielleicht eine Vermutung riskieren, wie er das geschafft hat?«
Sie runzelte die Stirn. »Körperpanzerung« lautete die offensichtliche Antwort … doch dem Tonfall ihres Vaters zufolge handelte es sich um noch etwas Spannenderes. Nun, irgendeinen Schutz musste Monse gehabt haben – aus kurzer Distanz hätte ein Doppellaserstoß auf Stufe zwei ausgereicht, Knochen von der Stärke der Rippen oder des Brustbeins zu durchdringen und Lunge oder Herz außer Kraft zu setzen.
Zumindest ausgereicht, um normale Knochen zu durchtrennen … »Das Gleiche, weshalb auch Winward überlebt hat?«, fragte sie zögernd.
Justin nickte. »Du sagst es.«
Ein Schauer kroch Jin den Rücken hoch. Michael Winward, der während der ersten Qasama-Mission vor achtundzwanzig Jahren von einer Projektilwaffe in die Brust getroffen worden war, hatte diesen Angriff einzig deswegen überlebt, weil die Kugel von der Keramikbeschichtung abgelenkt wurde, mit der sein Brustbein und sein Brustkorb überzogen war. »Ein Ject«, murmelte sie. »Dieser kleine Schreihals Monse ist ein lausiger Ject .«
»Volltreffer«, seufzte Justin. »Leider ändert das nichts an der Tatsache, dass er unbewaffnet war, als ich auf ihn geschossen habe.«
»Wieso nicht?«, wollte Jin wissen. »Es bedeutet, dass ich Recht habe – die ganze Geschichte ist eine abgekartete Sache – und : dahinter steckt Priesly.«
»Jetzt mal langsam, Mädchen«, sagte Justin und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Was für dich, für mich oder Corwin offensichtlich aussieht, muss sich nicht auch unbedingt beweisen lassen.«
»Aber …«
»Und solange wir eine solche Verbindung nicht beweisen können«, fuhr er warnend fort, »wäre ich dir dankbar, wenn du solche Behauptungen für dich behalten würdest. Beim gegenwärtigen Stand der Dinge richtest du sonst mehr Schaden an als Priesly.«
Jin schloss die Augen, um ihre plötzlichen Tränen zu unterdrücken. »Aber warum? Wieso macht er so etwas mit dir?«
Justin stellte sich neben sie und legte ihr den Arm fest um die Schultern. Auch jetzt, wo sie erwachsen war, maß sie immer noch ein paar Zentimeter weniger als er – die ideale Größe, wie sie stets geglaubt hatte, um sich in seinen Arm zu schmiegen. »Priesly hat es nicht speziell auf mich abgesehen«, sagte Justin. »Ich bezweifle sogar, dass er es ausdrücklich auf Corwin abgesehen hat, wenn man mal davon absieht, dass er Priesly im Weg
steht. Nein, worauf er es wirklich abgesehen hat, ist nichts Geringeres als die Beseitigung der Cobras aus den Cobra-Welten.«
Jin biss sich auf die Unterlippe und schmiegte sich noch fester an ihn. Sie kannte sämtliche Gerüchte, Auseinandersetzungen und Spekulationen … aber es so direkt und kaltblütig ausgesprochen zu hören, von jemandem, der die Wahrheit kennen musste, ließ es ihr eiskalt den Rücken runterlaufen. »Das ist doch verrückt«, sagte sie leise. »Vollkommen verrückt. Wie kann er erwarten, dass es auf Esquiline Fortschritte gibt, ohne dass die Cobras den Weg in die Wildnis bahnen? – auf Esquiline oder den anderen neuen Welten? Ganz zu schweigen vom Rest Caelians. Was will er damit machen, sie einfach den Peledari vorwerfen und sie bei lebendigem Leib fressen lassen?«
Sie spürte, wie er seufzte. »Jin, je älter man wird, desto öfter trifft man auf ansonsten intelligente Menschen, die sich auf eine dermaßen engstirnige und eindimensionale Sicht der Dinge versteift haben, dass sie niemals wieder davon loskommen. Caelian ist ein perfektes Beispiel dafür – die
Weitere Kostenlose Bücher