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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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Füße an, balancierte einen Augenblick auf dem Rand der Wartungsöffnung und stieß sich ab.
    Am Abend zuvor hatte er sich noch vor den Gefahren der Gleichgültigkeit gewarnt. Und jetzt, einen fürchterlichen Augenblick lang – mehr Zeit hatte er nicht -, erkannte er, dass zu großes Selbstvertrauen ebenfalls einen bitteren Preis verlangte. Das scharfe Schnappen ausgeklinkter Federn erfüllte sein verstärktes Gehör, und die Servos in seinen Armen ließen seine Fingerspitzenlaser schneller in Stellung rasten, als sein Verstand die schwarze Wand erfasste, die auf ihn zugeschnellt kam. Doch die Geste war im Grunde bedeutungslos. Noch während die feinen Lichtstrahlen aufleuchteten, erkannte er, dass die Trofts ihn meisterhaft in die Falle gelockt hatten. Ein großes militärisches Ziel, ein verlockender Hintereingang mit mangelhaften Alarmvorrichtungen und schließlich eine Falle mitten in der Luft.
    Die fliegende Wand erreichte ihn, und ihm blieb gerade noch genügend Zeit, um zu erkennen, dass es sich um ein Netz handelte. Dann kam der Aufprall, und das Netz wickelte sich wie ein gigantischer Kokon um ihn. Den Bruchteil einer Sekunde später wurde er heftig aus seiner ursprünglichen Flugbahn befördert, als unsichtbare Spannseile ihn zurückrissen und er mehr oder weniger kopfüber mitten im Raum hing.

    Und Jonny saß in der Falle … was für einen Cobra gleichbedeutend mit dem Tod war.
    Natürlich nahm sein Körper diese Tatsache nicht so schnell hin und wehrte sich weiter behutsam gegen das klebrige Drahtgeflecht, das sich in seine Kleidung schnitt. Doch was dem Ganzen Grenzen setzte, war nicht etwa die Kraft seiner Servos, und es war nur zu deutlich, dass das Netz mit seinen Fäden sowohl Kleidung als auch Fleisch durchtrennen und erst an den Knochen haltmachen würde. Oberhalb seines linken Fußes blitzte sein Antipanzerlaser auf, verdampfte ein kleines Stück des Materials und sprengte Betonsplitter aus der Decke, doch er hatte weder mit Armen noch mit Beinen genügend Spielraum, um dem Netz ernsthaften Schaden zuzufügen. Wenn es ihm gelänge, eins oder mehrere der Seile zu treffen, die ihn in der Luft hielten … doch in dem schwachen Licht und mit zwei, drei Schichten des Netzes über den Augen konnte er sie nicht einmal erkennen.
    Irgendwo in den hintersten Winkeln seines Verstandes löste der Sensor, der seinen Herzschlag überwachte, einen Alarm über eine direkte Nervenreizung aus.
    Er war im Begriff einzuschlafen.
    Das musste der Todesstoß des Feindes sein, ebenso zwangsläufig wie tödlich. Das dem Klebstoff auf dem Netz beigemengte Kontaktgift drang schneller in seinen Blutkreislauf ein, als das Notaufputschsystem unter seinem Herzen dies ausgleichen konnte. Ihm blieben bloß noch Sekunden, bevor sich das Universum ihm für immer verschloss … dabei hatte er noch eine überlebenswichtige Aufgabe zu erledigen.
    Seine Zunge klebte wie ein Klumpen kalten Tons an seinem Gaumen. Mit aller Willenskraft, die ihm noch blieb, schob er sie in den Mundwinkel … presste sie zwischen hölzernen Lippen hindurch und berührte den Schalter des Notfunks, der längs seiner Wange verlief. »Abbruch«, murmelte er. Im Raum wurde es dunkler, doch es war viel zu mühevoll, seine optischen Verstärker hochzuregeln. »Abbruch. Bin in eine … Falle …«

    Irgendwo ganz weit entfernt glaubte er eine schneidige Bestätigung zu hören, doch der Versuch, die Worte zu verstehen, kostete zu viel Kraft. Im Grunde kostete es zu viel Kraft, überhaupt etwas zu tun.
    Dunkelheit stieg auf und deckte ihn sachte zu.
     
    Das Gebäude, das der Wolker-Fabrik am nächsten stand, war eine verlassene Lagerhalle einhundert Meter nördlich des Haupteingangs. Dort hockte Cally Halloran in geduckter Stellung auf dem Dach und knirschte wütend mit den Zähnen, während er versuchte, alle Richtungen gleichzeitig im Auge zu behalten. Eine Falle, hatte Jonny gesagt, als Schlaf oder der Tod bereits kurz davorstanden, ihn zu übermannen … aber handelte es sich um eine einfache Sprengladung oder um etwas Komplizierteres? Wenn Letzteres der Fall war, würde es auch Deutsch vermutlich nicht mehr schaffen, das Fabrikgelände lebend zu verlassen. War die Operation breit genug angelegt, konnte sich auch diese zurückgezogene Stellung in eine tödliche Falle verwandeln.
    Im Augenblick jedoch drang Jonnys Tod kaum bis in seine Gedanken vor. Später war Zeit zum Trauern, doch jetzt galt Hallorans Pflicht ausschließlich den Lebenden. Er schob

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