Cocktails fuer drei
nach einer Pause. »Wer trauert, braucht einen Sündenbock.«
»Kann schon sein«, sagte Roxanne. »Aber ausgerechnet Candice …« Kurz schloss sie die Augen. »Candice. Wie konnte ich Candice die Schuld geben?«
»Ich weiß«, sagte Maggie beschämt. »Mir geht es genauso. Ich kann nicht glauben, dass ich den Hörer aufgeknallt habe. Aber ich war einfach so dünnhäutig. Alles kam mir so hoffnungslos vor …« Sie sah Roxanne an. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie die letzten paar Wochen waren. Ich glaube ehrlich, ich wusste eine Weile nicht, was ich tue.«
Es folgte kurzes Schweigen. Ein Auto fuhr vorbei, und die Insassen hinter den Scheiben starrten die beiden neugierig an.
»Ich hatte ja keine Ahnung«, sagte Roxanne schließlich. »Du hast immer ausgesehen, als … als hättest du alles im Griff. Alles schien so perfekt.«
»Ich weiß«, sagte Maggie mit starrem Blick auf den Gehweg. »Ich war dumm. Ich mochte niemandem anvertrauen, wie schrecklich es mir ging. Nicht Giles und auch sonst niemandem.« Sie schwieg, als ihr plötzlich etwas einfiel. »Eigentlich stimmt das so nicht. Einmal wollte ich es dir erzählen. An diesem Abend in der Manhattan Bar. Aber wir wurden unterbrochen. Und dann …« Sie lächelte zerknirscht. »Ich glaube, das war der schlimmste Abend in meinem ganzen Leben. Ich fühlte mich fett, ich war erschöpft, ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich Lucia allein gelassen hatte … und am Ende haben wir uns gestritten. Es war …« Sie lachte auf. »Es war einfach ein Abend zum Vergessen.«
»Oje, ich fühle mich schrecklich.« Betreten sah Roxanne Maggie an. »Ich hätte merken sollen, dass du deprimiert warst. Ich hätte anrufen sollen, dich besuchen.« Sie biss auf ihre Unterlippe. »Ich war dir ja eine tolle Freundin. Euch beiden.«
»Komm schon«, sagte Maggie. »Du hattest es doch schwerer als wir. Viel schwerer.«
Sie legte einen Arm um Roxannes Schulter und drückte sie an sich. Eine Weile sagte keine ein Wort. Ein Postbote kam, musterte sie argwöhnisch, dann beugte er sich dazwischen, um Post in den Briefschlitz zu stecken.
»Und was machen wir jetzt?«, sagte Roxanne schließlich.
»Wir gehen zu Justin und stutzen ihn zurecht«, sagte Maggie. »Das lassen wir ihm nicht durchgehen.« Sie stand auf und strich ihren Rock glatt. »Suchen wir uns ein Taxi.«
»Das ist übrigens ein hübsches Kostüm«, sagte Roxanne mit interessiertem Blick. Dann runzelte sie die Stirn. »Wenn ich es genau bedenke, siehst du insgesamt sehr gut aus.« Sie betrachtete Maggies auberginefarbenes Seidenkostüm, ihr schlichtes, weißes T-Shirt, ihr glänzendes, haselnussbraunes Haar. »Warst du gerade beim Friseur?«
»Ja«, sagte Maggie mit dem Anflug eines Lächelns. »Das ist mein neues Ich. Neue Frisur, neue Kleider, neuer Lippenstift. Ich war gestern Nachmittag shoppen. Hab ein Vermögen ausgegeben, wie ich hinzufügen sollte.«
»Das ist gut«, sagte Roxanne anerkennend. »Die Farbe steht dir fantastisch.«
»Ich darf nur keine schreienden Babys hören, sonst mache ich Milchflecken in die Jacke.«
»Aaaah.« Roxanne verzog das Gesicht. »So genau wollte ich das gar nicht wissen.«
»Die Freuden der Mutterschaft«, sagte Maggie fröhlich und ging schon mal zur Ecke. Wenn ihr vor Wochen jemand gesagt hätte, dass sie übers Stillen lachen würde, hätte sie es nicht geglaubt. Aber andererseits hätte sie auch nicht gedacht, dass sie ein Kostüm tragen würde, das zwei Nummern größer war, und sie sich trotzdem gut darin fühlte.
Als sie draußen vor dem Verlagshaus von Allsopp Publications aus dem Taxi stiegen, blickte Maggie an dem Gebäude empor. Den größten Teil ihres beruflichen Lebens hatte sie hier verbracht, und es wirkte so vertraut wie eh und je – und doch anders. Fast unmerklich schien es sich in den paar Wochen verändert zu haben.
»Merkwürdig«, murmelte sie, als Roxanne ihre Schlüsselkarte über das Lesegerät zog und sich die Glastüren zum Empfang öffneten. »Es kommt mir vor, als wäre ich jahrelang weg gewesen.«
»Dito«, murmelte Roxanne. »Ich staune richtig, dass meine Karte noch funktioniert.« Sie sah Maggie an. »Bist du bereit?«
»Absolut«, sagte Maggie. Die beiden grinsten einander an, dann gingen sie Seite an Seite ins Foyer.
»Maggie!«, rief Doreen am Empfang. »Was für eine Überraschung! Du siehst ja toll aus! Aber wo ist das Baby?«
»Zu Hause«, sagte Maggie lächelnd. »Bei meiner Schwiegermutter.«
»Och, wie schade. Du hättest
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