Cocktails fuer drei
gewesen. Aber konnte man ihr das zum Vorwurf machen? Wenn es anders gelaufen wäre, wenn sie Heather in ihr Herz geschlossen hätten, würden sie Candice dann nicht jetzt anrufen und ihr zu einer so netten Mitbewohnerin gratulieren? Es war nicht ihre Schuld, dass es nicht geklappt hatte. Sie hätte Maggie nicht anschnauzen sollen, andererseits hätte Maggie Heather auch nicht als Biest beschimpfen sollen.
Leicht genervt schwang Candice ihre Beine aus dem Bett und setzte sich auf, überlegte, ob Heather wohl schon geduscht hatte. Und da merkte sie es erst. Es war totenstill in der Wohnung. Candice kaute auf ihrer Lippe und ging zur Tür ihres kleinen Zimmers. Sie stieß sie auf und wartete, lauschte. Doch da war nichts – und Heathers Schlafzimmertür stand offen. Bevor Candice in die Küche ging, warf sie noch einen kurzen Blick in Heathers Zimmer. Es war leer und das Bett ordentlich gemacht. Auch das Badezimmer war leer. Die ganze Wohnung war leer.
Candice warf einen Blick auf die Küchenuhr. Zwanzig nach sieben. Möglicherweise war Heather einfach früher also sonst aufgestanden, sagte sie sich, als sie den Wasserkocher anstellte. Möglicherweise litt sie unter Amnesie, oder sie war dabei, völlig neue Saiten aufzuziehen.
Oder sie war über Nacht bei Ed geblieben.
Ihr Magen krampfte sich zusammen, und ärgerlich schüttelte sie den Kopf. Was Ed und Heather miteinander trieben, ging sie nichts an. Wenn er mit ihr ausgehen wollte, gut. Und wenn Heather so verzweifelt war, dass sie den Abend mit einem Mann verbringen wollte, der dachte, »Gourmet« bedeute »drei Pizzabeläge«, auch gut.
Eilig lief sie ins Bad, schälte sich aus ihrem Nachthemd und stieg unter die Dusche – wobei ihr auffiel, dass heute Morgen noch niemand geduscht hatte. Hastig schäumte sie sich mit einem Rosen-Gel namens »Uplifting« ein, dann drehte sie die heiße Dusche voll auf, um den Schaum, ihr Unbehagen und ihre brennende Neugier abzuwaschen. Am liebsten wollte sie alles abspülen und erfrischt und sorgenfrei wieder aus der Dusche steigen.
Als sie im Bademantel die Küche ansteuerte, lag ein Stapel Post auf der Matte, und das Wasser hatte gekocht. In aller Ruhe brühte sie sich einen Becher Kamillentee, wie es der Londoner im letzten Monat zur Entgiftung empfohlen hatte, und fing an, ihre Briefe zu öffnen, wobei sie sich den malvenfarbenen Umschlag ganz unten im Stapel bewusst bis zum Schluss aufhob.
Eine Kreditkartenabrechnung, höher als üblich. Seit Heather bei ihr wohnte, hatte sie sich mehr Vergnügungen gegönnt, war öfter ausgegangen und hatte mehr ausgegeben. Ein Kontoauszug. Ihr Kontostand kam ihr irgendwie höher vor als sonst. Eine Weile starrte sie ihn verwundert an und fragte sich, woher das Geld wohl kommen mochte. Dann steckte sie den Auszug achselzuckend wieder in den Umschlag und nahm den nächsten. Ein eingeschweißter Möbelkatalog. Ein Brief, der sie eindringlich dazu aufforderte, an einer Gewinnauslosung teilzunehmen. Und dann – ganz unten – der violette Umschlag, die vertraute, kringelige Handschrift. Einen Moment lang starrte sie ihn an, dann riss sie ihn auf, wusste schon, was sie erwartete.
Liebe Candice , schrieb ihre Mutter. Hoffe, es geht Dir gut. Das Wetter ist hier so weit ganz schön. Kenneth und ich machen einen kurzen Ausflug nach Cornwall. Kenneths Tochter erwartet noch ein Baby …
Schweigend las Candice den Brief zu Ende, dann schob sie ihn wieder in den Umschlag. Dieselben nichtssagenden Worte wie immer, derselbe neutrale, distanzierte Tonfall. Der Brief einer Frau, die aus Angst vor der Vergangenheit wie gelähmt und zu feige war, den Kontakt zu ihrer Tochter zu suchen.
Kurz flammte ein vertrauter Schmerz in Candice auf und erstarb. Sie hatte schon zu viele solcher Briefe gelesen, um sich darüber aufzuregen. Und heute Morgen war ihr friedlich zumute, beinah gefühllos. Nichts konnte ihr etwas anhaben. Es ist mir egal , blitzte es in ihrem Kopf auf, als sie die Briefe ordentlich auf dem Küchentresen stapelte. Es ist mir egal . Sie nahm einen Schluck Kamillentee, dann noch einen. Gerade wollte sie einen dritten nehmen, als es an der Wohnungstür klingelte, was sie so sehr erschreckte, dass sie ihren Tee auf dem Tisch vergoss.
Sie zog den Bademantel fester, ging vorsichtig zur Tür und machte auf.
»Okay«, sagte Ed, als setzte er ein Gespräch fort, das sie vor drei Minuten begonnen hatten. »Ich habe gehört, dass eine deiner Freundinnen Heather gestern Abend einen Cocktail ins
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