Cocktails fuer drei
sagte Justin. »Wenn jemand so nett wäre, Roxanne anzurufen.«
Roxanne drehte sich auf ihrem Liegestuhl um und streckte die Beine aus. Die warme Abendsonne war wie ein freundliches Lächeln auf ihrer Haut. Morgens um zehn war sie auf dem Flughafen von Nizza angekommen und hatte sich von einem Taxi auf direktem Weg zum Paradin Hotel bringen lassen. Gerhard, der Direktor, war ein alter Freund und hatte ihr mit einem kurzen Anruf bei der Pressestelle der Hotelkette ein Zimmer zu einem erheblich günstigeren Preis besorgt. Sie bräuchte nicht viel, hatte sie gesagt. Ein Bett, eine Dusche, einen Platz am Pool. Irgendetwas, wo sie einfach nur daliegen und die heilende, wärmende Sonne auf ihrer Haut spüren konnte. Wo sich alles vergessen ließ.
Den ganzen Tag hatte sie in der grellen Sonne gelegen, sich sporadisch eingeölt und manchmal einen Schluck Wasser getrunken. Um halb sieben warf sie einen Blick auf die Uhr und konnte kaum glauben, dass sie erst vor vierundzwanzig Stunden in der Manhattan Bar gesessen hatte.
Wenn sie die Augen schloss, spürte Roxanne nach wie vor die tiefe Befriedigung, die sie empfunden hatte, als dem kleinen Biest das zerstampfte Eis übers Gesicht lief. Doch hatte die Begeisterung einen schalen Beigeschmack, war schon gestern überschattet gewesen von Enttäuschung. Sie hatte sich mit Candice nicht streiten wollen. Sie hatte nicht in der kalten Abendluft stehen wollen, betrunken und einsam und elend.
Maggie hatte sie allein gelassen. Nachdem die beiden aus der Bar gekommen waren, aufgebracht und ganz benommen nach dem Streit, hatte Maggie auf ihre Uhr gesehen und etwas unsicher gesagt: »Roxanne …«
»Geh nicht«, hatte Roxanne gesagt, Panik in der Stimme. »Komm schon, Maggie«, hatte Roxanne gesagt. »Dieser Abend war eine Katastrophe. Das müssen wir doch irgendwie ausgleichen.«
»Ich muss zurück«, hatte Maggie gesagt. »Es ist schon spät …«
»Ist es nicht!«
»Ich muss noch ganz bis nach Hampshire.« Maggie hatte ehrlich empört geklungen. »Das weißt du doch. Und ich muss Lucia stillen, sonst platze ich.« Sie hatte Roxannes Hand genommen. »Roxanne, wenn ich könnte, würde ich bleiben …«
»Du könntest, wenn du wolltest.« Da war ein so kindisches Zittern in Roxannes Stimme gewesen. Plötzlich hatte sie panische Angst gehabt, von allen verlassen zu werden. Erst Ralph, dann Candice. Jetzt Maggie. Alle wandten sich anderen in ihrem Leben zu. Ihren Freunden, ihren Familien. Zogen andere Menschen ihr vor. Sie hatte Maggies warme Hand betrachtet, mit dem riesigen Verlobungs-Saphir, und war plötzlich neidisch geworden. »Okay, dann geh doch!«, hatte sie gebellt. »Geh zurück zu deinem Kerl. Mir doch egal.«
»Roxanne«, hatte Maggie sie angefleht. »Roxanne, warte!« Doch Roxanne hatte sich losgerissen und war fluchend die Straße entlanggestampft. Sie hatte gewusst, dass Maggie ihr nicht hinterherlaufen würde. Tief in ihrem Inneren war ihr klar gewesen, dass Maggie keine Wahl hatte.
Nach ein paar Stunden Schlaf war sie im Morgengrauen aufgewacht und hatte die spontane Entscheidung getroffen wegzufliegen, irgendwohin, der Sonne entgegen. Ralph hatte sie verlassen. Und vielleicht hatten auch ihre Freundinnen sie aufgegeben. Aber sie war ungebunden und hatte Kontakte und machte im Bikini eine gute Figur. Sie würde so lange bleiben, wie sie wollte, und dann weiterziehen. Vielleicht sogar über Europas Grenzen hinaus. Scheiß auf Großbritannien, scheiß auf alles. Sie würde ihre Nachrichten nicht abhören, sie würde nicht mal ihren monatlichen Artikel abliefern. Sollte Justin ruhig ein bisschen schwitzen. Sollten sie alle ein bisschen schwitzen.
Roxanne setzte sich auf, hob die Hand und beobachtete zufrieden, wie ein weiß livrierter Kellner zu ihr herüberkam. Das nenne ich Service, dachte sie. Manchmal war ihr, als könnte sie ihr ganzes Leben in einem Fünf-Sterne-Hotel verbringen.
»Hallo«, sagte sie mit strahlendem Lächeln. »Ich möchte bitte ein Club-Sandwich. Und einen frisch gepressten Orangensaft.« Der Kellner notierte die Bestellung auf seinem Block, dann entfernte er sich wieder, und sie machte es sich auf ihrer Sonnenliege bequem.
Roxanne blieb zwei Wochen im Paradin. Die Sonne schien jeden Tag, der Pool glitzerte, und wenn ihr Club-Sandwich kam, war es dick, knusprig und lecker. An dieser Routine hielt sie fest, mied die anderen Gäste und verließ das Hotelgelände nur einmal. Die Tage reihten sich aneinander wie Perlen auf einer Schnur. Sie
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