Code Delta
länger auf ihren Sitzen, und ein Kreuzfeuer von Fragen prasselte auf Duncan ein. Er ließ das Stimmengewirr über sich hinwegfluten, hob um Ruhe bittend die Hände und ignorierte die aufgeregten Rufe.
Nur langsam beruhigten sich die Journalisten und ließen ihn zu Wort kommen. Er hielt seine Rede mit vollendeter Theatralik. Er bat um Geduld, während man die Verantwortlichen für die Attacke aufspürte. Er versprach schnelles und gerechtes Handeln. Und er forderte das Volk zu Ruhe und Besonnenheit auf und dazu, alle seltsamen Vorkommnisse den Behörden zu melden, anstatt das Heft des Handelns in die eigenen Hände zu nehmen.
Manches davon entsprach der Wahrheit, anderes war reiner Humbug. Duncan wusste, dass der beste Schwindel auf 99 Prozent Wahrheit beruhte, daher flocht er Fakten über die Opfer, die Kosten des Wiederaufbaus und den zeitlichen Ablauf ein. Die Lüge bestand darin, dass er die arabische Welt verantwortlich machte. Namentlich erwähnte er den Iran, Saudi-Arabien und den Jemen. Er ließ die Namen allgemein bekannter Terrororganisationen einfließen und spielte die Osama-bin-Laden-Karte. Gleichzeitig beschuldigte er niemanden direkt, und natürlich bekannte sich auch niemand als Verantwortlicher.
Das Schlimmste an seinem Bluff war, dass er die Spannungen in aller Welt verstärkte. Die Zahl der Hassverbrechen gegen Amerikaner arabischer Abstammung würde steigen. Die Gewalt im Nahen Osten und in Israel konnte eskalieren. Und die echten Terroristen würden durch den Irrglauben, dass es ihnen gelungen war, mitten in Amerika zuzuschlagen, scharenweisen Zulauf bekommen.
Als Duncan Luft holte, nutzte ein wagemutiger Reporter die Pause, um ihm eine Frage zuzurufen. »Senator Marrs macht Sie für den Tod von mehreren tausend US -Bürgern verantwortlich. Wie stehen Sie zu …«
Duncans Verärgerung gewann die Oberhand. »Senator Marrs ist ein scheinheiliger Aasgeier«, sagte er. Augenblicklich bereute er, dass sein Zorn mit ihm durchgegangen war. Er hasste es, hier zu stehen und diese Leute anlügen zu müssen und PR für seine Wiederwahl zu betreiben. Scheiß auf die Wahlen, er wollte handeln.
Aber ihm waren die Hände gebunden. In einer Krisensituation wurde jeder Schritt des Präsidenten genauestens unter die Lupe genommen. Er konnte nicht so viel Zeit wie nötig in seine Rolle als Deep Blue investieren, sonst lenkte er unerwünschte Aufmerksamkeit auf das Schachteam, für das Geheimhaltung essenziell war. Jedes Mal, wenn die Deltas, wenn die Welt, Deep Blue am dringendsten brauchte, kamen ihm seine Amtspflichten dazwischen.
Während das Heer der Journalisten sich begeistert das Zitat notierte, das morgen die Titelseiten zieren würde, sagte er: »Vielen Dank. Das wäre alles für heute.«
Zwei Stufen auf einmal nehmend lief Duncan die Treppe vom Podium herunter und überrumpelte damit die Presse. Einen Moment lang herrschte Stille, dann brach eine Kakophonie von Fragen los. Duncan ignorierte das Stimmengewirr. Als er an Keasling und Boucher vorbeikam, grollte er: »Reine Zeitverschwendung.«
Boucher fiel mit dem Präsidenten in Gleichschritt, während sie zur ›Bestie‹ zurückgingen. »Das ist Ihr Job, Sir.«
Duncan stieg in das dunkle Innere des Wagens und verschmolz mit den Schatten. Bevor der Mann vom Secret Service die Tür hinter dem Präsidenten schließen konnte, glitt Boucher neben ihm hinein.
Duncan seufzte. »Was ist denn?«
Während die ›Bestie‹ losfuhr, strich sich Boucher über den Schnurrbart und sagte: »Tom, der Sturm geht vorüber.«
»Da bin ich nicht so sicher.«
»Marrs steckt voll heißer Luft. Das merken die Leute, sobald sich der Staub gelegt hat. So ist es immer.«
»Falls der Staub sich legt.« Duncan blickte aus dem getönten, kugelsicheren Fenster. Die Ruinen von Fort Bragg glitten vorbei, während sie den Weg zum Luftwaffenstützpunkt Pope einschlugen. »Wir wissen nicht einmal, gegen was wir da antreten.«
»Aber bald«, sagte Boucher voller Zuversicht. »Sie haben das beste Team …«
»Ein unvollständiges Team.«
Boucher nickte. Deep Blue war nur durch eine ganze Gruppe von CIA -Analysten und Strategen zu ersetzen. Ohne seine direkte Mitwirkung hatte das Team nicht seine volle Schlagkraft. Die CIA -Leute brauchten für alle wichtigen Entscheidungen die Genehmigung von ganz oben – und die ließ sich nicht vom Podium einer Pressekonferenz aus geben. Dabei konnte jede Verzögerung Leben kosten. Nur mit Deep Blue besaß das Team Entscheidungsgewalt in
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