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Codename Azteke

Codename Azteke

Titel: Codename Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Vidal
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Barrikade hielt sie an, wendete, und noch bevor einer der Marinesoldaten reagieren konnte, fuhr sie zurück nach Viña.
    Sie schaffte es gerade noch. Fünf Minuten nach ihrer Rückkehr in den Ort wurden dort ebensolche Barrikaden errichtet wie in Valparaíso, und Viña del Mar wurde von der Außenwelt abgeschnitten.
    Lucía überlegte fieberhaft, während sie die kurze Auffahrt zu ihrem Bungalow hinauffuhr. War das nur hier, oder geschah es überall im Land?
    Eva Bamberg kam ihr lächelnd entgegen. »Was hast du denn heute vergessen?«, neckte sie ihre Tochter.
    »Hast du die Nachrichten gehört?«
    »Was für Nachrichten?« Eva bemerkte Lucías besorgtes Gesicht und wurde selbst unruhig. »Was ist los?«
    »Ich weiß es noch nicht, Mama.« Lucía betrat das Haus über den zum Meer gewandten Eingang. »Ich glaube, es ist irgendeine Art militärischer Aufstand.«

    Sie standen im Wohnzimmer in der Meeresbrise, die durch die offenen Verandatüren hereinwehte, und suchten auf den Fernsehkanälen vergeblich nach irgendwelchen Informationen. Nichts. Nur die martialischen Klänge einer Militärkapelle und die rot-weiß-blaue chilenische Flagge mit dem einzelnen weißen Stern, die vor einem klaren blauen Himmel flatterte.
    Die Trommeln und Trompeten hatten María Luz wahrscheinlich aufgeweckt, denn sie begann im Nebenzimmer zu weinen.
    Lucía griff zum Telefon, aber die Leitung war tot. Eva ging ins Kinderzimmer und erschien mit ihrer Enkelin auf dem Arm wieder.
    »Was glaubst du, was los ist?«, fragte Eva und wiegte das Kind vorsichtig in den Armen.
    Lange mussten sie auf eine Antwort nicht warten. Um 07:30 Uhr, als Lucía sich auf den Weg nach Valparaíso gemacht hatte, hatte der Heereskommandant das Peñaloén-Kommunikationszentrum bei Santiago besetzt und damit praktisch alle Sendestationen in Chile unter seine Kontrolle gebracht. Zur gleichen Zeit erfuhren Präsident Allende und die meisten seiner Kabinettsmitglieder davon, was in Valparaíso vor sich ging, und erschienen einzeln oder in Gruppen im Präsidentenpalast Moneda.
    Um 08:45 Uhr informierte General Pinochet die Nation, dass man der Allende-Regierung ein Ultimatum gestellt und das Militär die Herrschaft übernommen habe.
    »Wir werden einfach abwarten müssen, Mutter«, erklärte Lucía bestimmt. Sie hatte ein Satellitentelefon im Schrank. Notfalls würde sie damit Jesús anrufen, aber noch nicht. Die Nachrichten würden auch Kuba erreichen,
und man würde die Ereignisse in Chile scharf im Auge behalten.
    Lucía war niedergeschlagen. Sie wollte weinen um Chile, sie wollte rufen, dass eine dunkle, von der CIA geförderte Zukunft nicht das war, was das Land verdient hatte. Aber sie hätte sich nicht im Traum vorstellen können, dass sie oder ein anderes Mitglied ihrer Familie in Gefahr sein könnte. Hätte sie daran auch nur im Entferntesten gedacht, wäre sie geflüchtet, hätte sich versteckt und alle möglichen Maßnahmen getroffen, das Leben ihrer Tochter zu schützen. Aber zu diesem Zeitpunkt, in der beruhigenden Friedlichkeit eines Frühlingstages an der Küste und mit dem Duft der frischen Blumen und des Meeres in der Luft, konnte sich Lucía Florin nicht vorstellen, dass die Inkarnation des Bösen dabei war, ihr Heim zu überfallen.
     
    In Santiago nahmen die Dinge unaufhaltsam ihren Lauf. Um 09:55 Uhr wurde der Moneda-Palast von Panzern umstellt und das Feuer eröffnet.
    Um 10:15 Uhr konnte Allende über den einzigen noch freien Radiosender, der nicht in der Hand der Putschisten war, eine Botschaft senden. Er bestätigte, dass ein Putschversuch unternommen wurde, und schwor, das ihm vom chilenischen Volk übertragene Mandat nicht freiwillig abzugeben. Wie sich zeigte, war es eine Abschiedsbotschaft.
    Um 11:52 Uhr begann die Luftwaffe mit einem Raketenangriff, der den Moneda-Palast in Brand setzte und jeglichen Zweifel daran zunichtemachte, dass die Militärs es ernst meinten und ihre Ziele mit aller dazu notwendigen Waffengewalt zu erreichen gedachten.

    Aus den Fenstern und von den Balkonen des Luxushotels Carrera beobachteten Touristen, Besucher und Journalisten die surreale Szenerie.
    Um 14:38 Uhr wurde der Moneda-Palast eingenommen. Allendes Leiche fand man in seinem Büro. Der obere Teil seines Kopfes fehlte, da er sich in einem letzten trotzigen Akt mit seiner eigenen Kalaschnikow – derselben Waffe, die ihm Jesús Florin zwei Jahre zuvor geschenkt hatte – von unten durch das Kinn geschossen hatte.
    Um 15:00 Uhr wurde eine Ausgangssperre

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