Codename Merlin - 3
meisten Harchongesen sich besser um ihre Leibeigenen kümmerten als Erayksyn und Seinesgleichen um ihre − rein theoretisch − freien Arbeiter.
»Ich wette, da hatte er immensen Erfolg«, stellte er fest.
»Wenn ja, dann hat es zumindest niemand bemerkt.« Mychail kniff die Lippen zu einem schmalen Lächeln zusammen. Dann verwandelte sich dieser Gesichtsausdruck in ein Stirnrunzeln. »Aber ich wünschte, es gäbe nicht so viele andere, die genau die gleiche Einstellung haben wie Erayksyn. Vor allem angesichts dieser ganzen neuen Möglichkeiten, mehr Geld zu verdienen − das stachelt ihre naturgegebene Gier nur noch weiter an. Ach …« − er vollführte eine abwehrende Handbewegung, als er sah, dass Howsmyn schon etwas erwidern wollte − »… ich weiß, dass er vermutlich der Schlimmste von allen ist. Aber Sie können doch nicht abstreiten, dass es noch viele andere gibt, die das alles fast genauso sehen wie er. In den Leuten, die für sie arbeiten, sehen sie vor allem laufende Kosten, nicht etwa Mitmenschen, und sie tun stets ihr Bestes, diese Kosten genauso zu verringern wie alle anderen.«
»Das mag im Augenblick so sein«, gab nun Howsmyn zurück, »aber ich glaube nicht, dass sie mit dieser Einstellung das Ziel erreichen, das ihnen vorschwebt. Ich mag ja Schwierigkeiten haben, so viele gelernte Arbeitskräfte zu finden, wie ich brauche − und Ihnen geht es vermutlich nicht anders −, aber das liegt doch nur daran, dass es davon so wenige gibt. Wir hatten noch nie Schwierigkeiten, jemanden davon zu überzeugen, für uns arbeiten zu wollen, und Erayksyn ist nicht der Einzige, der bemerkt hat, dass es viel schwerer ist, Leute von uns abzuwerben, als er das eigentlich erwartet hatte. Denken Sie doch nur an Kairee, diesen scheinheiligen Mistkerl! Und die paar Männer, die seine Leute tatsächlich von uns abgeworben haben, sind auch nicht gerade unsere besten Arbeiter gewesen. Wenn man bedenkt, welcher Druck durch diese ganzen Innovationen entsteht, gelernte Arbeiter einzustellen, werden die Kosten für die Arbeitskräfte zweifellos nur weiter steigen, wie sehr die sich auch bemühen mögen, die Kosten zu senken. Angesichts der steigenden Leistung, auf den jeweils einzelnen Arbeiter bezogen, werden die relativen Kosten natürlich sinken, aber Leute wie Erayksyn und Kairee werden herausfinden, dass die Arbeitskräfte, die sie so lange derart misshandelt haben, es dann doch vorziehen werden, für Leute wie Sie und mich zu arbeiten!«
»Ich hoffe, Sie haben recht − und das nicht nur mit Blick auf meinen eigenen Profit«, sagte Mychail.
»Sie haben mir doch beigebracht, langfristig zu denken − ja, und Sie haben mich auch gelehrt, niemals zu vergessen, nur weil ein Mann weniger wohlhabend ist als ich, ist er nicht weniger ein Mensch, der ebenso ein Anrecht auf seine Würde hat.« Howsmyns Miene war ungewohnt ernst, als er nun wieder Mychail in die Augen blickte. »Ich hoffe, diese Lektion niemals zu vergessen, Mychail. Denn sollte das jemals geschehen, dann werde ich den Mann, in den ich mich dann verwandelt habe, wahrscheinlich deutlich weniger mögen als den Mann, der ich jetzt bin.«
Mychail wollte schon etwas sagen, doch dann schüttelte er fast unmerklich den Kopf und legte Howsmyn stattdessen nur die Hand auf die Schulter. Der Textilfabrikant hatte vor fast zwanzig Jahren beide seiner Söhne verloren, als die Galeone, mit der sie ausgeschifft waren, mit Mann und Maus auf hoher See verschwunden war. In vielerlei Hinsicht hatte Howsmyn die schmerzende Leere ausgefüllt, die ihr Tod in Rhaiyan Mychails Lebens hinterlassen hatte. Für Mychails jüngere Enkel war er fast eine Art Vaterersatz geworden, seine Frau war für die Kinder wie eine Tante, und drei jener Enkel waren mittlerweile in Howsmyns Dienste getreten, um das Handwerk der Hüttenmeister zu erlernen. Und Mychail hätte auch niemanden zu benennen gewusst, der für sie ein besserer Mentor hätte sein können.
»Nun ja, das ist natürlich alles sehr erbaulich«, sagte er dann, doch seine Heiterkeit klang ein wenig gezwungen. »Aber der offizielle Grund für meinen Besuch bei Ihnen ist, dass wir darüber sprechen sollten, wie genau wir die Gliederung der Unternehmungsführung dieser neuen Werften in Tellesberg gestalten.«
»Sie haben schon sämtliche Partner beisammen?« Erstaunt hob Howsmyn die Augenbrauen, und Mychail nickte zustimmend.
»Dass Ironhill angekündigt hat, die Krone werde vierzig Prozent der Anfangsinvestitionen übernehmen,
Weitere Kostenlose Bücher