Codename Sparta 01 - Die Sternenkoenigin
tatsächlich, jeden einzelnen Buchstaben, jedes Zeichen hatte man einzeln auf das Papier gedruckt, wo er nicht nur als eine Art Schicht erschien, sondern als genau bemessene, in den Zellstoff gepreßte Tintenmenge. Sparta hatte noch nie gesehen, daß man auf einen Gegenstand der Massenproduktion eine derartige Kunstfertigkeit verwandte. Das Papier selbst war dünn und fest, ganz anders als die farblosen und bröckeligen Blätter, die sie in der Bibliothek in New York gesehen hatte und die man dort als Relikte aus der Vergangenheit ausstellte …
Der Reichtum und der Glanz des Buches in ihrer Hand hypnotisierte sie; sie mußte die Seiten berühren. Einen Augenblick lang vergaß sie ihre Ermittlungen. Sie wollte nur dieses Ding erleben. Sie betrachtete die Seite, auf der es sich zufällig geöffnet hatte.
»Der Zufall war gemeiner als ein absichtliches Versagen«, hatte der Autor geschrieben. »Wenn ich nicht zögerte, mein Leben zu riskieren, warum sollte ich mich dann aufregen, wenn es besudelt wurde? Jedoch Leben und Ehre schienen verschiedenen Kategorien zu entstammen … oder glich Ehre den sybillinischen Blättern, je mehr verlorenging, desto unschätzbarer wurde das Wenige, das übrigblieb …?«
Ein seltsamer Gedanke. ›Ehre‹ wurde hier als Handelsware gesehen. Je mehr bereits verbraucht war, desto wertvoller wurde der Rest.
Sparta schloß das legendäre Buch und ließ es in seine Kassette zurückgleiten. Dann legte sie das ganze dicke Paket in seine gepolsterte Kiste zurück. Sie hatte gesehen, was sie auf der Sternenkönigin hatte sehen wollen.
16
»Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen bedauerlicherweise mitteilen, daß es beim Ausstieg eine Verzögerung geben wird. Ein Vertreter von Port Hesperus wird in Kürze hier sein und Ihnen alles erklären. Damit alles so schnell wie möglich geht, bitte ich Sie, sich im Salon einzufinden. Die Stewards werden Ihnen behilflich sein.« Im Gegensatz zur Sternenkönigin war die Helios auf die übliche Weise in Port Hesperus angekommen. Schlepper hatten sie in die Parkumlaufbahn gezogen. Durch die Fenster des Salons konnte man die Station deutlich in einem Kilometer Entfernung am Himmel stehen sehen. Majestätisch drehten sich ihre Räder vor der hellen Sichel der Venus, das Grün seiner berühmten Gärten schimmerte durch die Glaskonstruktion der Zentralkugel. Die Passagiere versammelten sich unter unwilligem Gemurmel im Salon. Wer sich allzu unwillig zeigte, der wurde von den Stewards bedrängt, die ihre Rücksicht vergessen zu haben schienen. Alle Anwesenden an Bord, Passagiere wie Mannschaften, waren ziemlich ungehalten. Schließlich waren sie nicht Millionen von Kilometern gereist, um im letzten Augenblick daran gehindert zu werden, den Fuß wieder auf festen Boden zu setzen.
Aus der Insektenwolke der anderen Raumfahrzeuge, die die Station umschwebten, löste sich ein heller Funke, der sich schon bald als winziges Landungsboot mit dem vertrauten blauen Band mit dem goldenen Sternabzeichen entpuppte. Das Boot machte an der Hauptluftschleuse fest, und wenige Minuten später zog sich ein großer, blonder Mann mit kräftigem Kinn forsch in den Salon.
»Ich bin Inspektor Proboda von der Raumkontrollbehörde auf Port Hesperus«, verkündete er vor den versammelten Passagieren, von denen ihn die meisten mit einer Mischung aus Unzufriedenheit und Ärger ansahen. »Sie werden hier vorübergehend aufgehalten werden, bis wir unsere Ermittlungen wegen der Vorfälle auf der Sternenkönigin abgeschlossen haben. Wir bedauern aufrichtig die Unannehmlichkeiten, die damit verbunden sind. Als erstes muß ich feststellen, ob Ihre ID-Magnetkarten in Ordnung sind. Anschließend werde ich mich an einige von Ihnen einzeln wenden, und Sie bitten, uns bei unseren Ermittlungen zu unterstützen …«
Zehn Minuten nach Verlassen der Sternenkönigin klopfte Sparta an die Tür von Angus McNeils privatem Klinikzimmer. »Ellen Troy, Mr. McNeil.«
»Hereinspaziert«, sagte er gutgelaunt, und als sie die Tür öffnete, lächelte er sie freundlich aus seinem frisch rasierten Gesicht an. Er trug ein gebügeltes, elegantes Baumwollhemd, dessen Ärmel er bis über die Ellenbogen aufgekrempelt hatte, dazu eine nagelneue Plastikhose, und zog genießerisch an einer Zigarette.
»Tut mir leid, Sie stören zu müssen«, sagte sie, als sie seine offene Tasche auf dem Bett sah. Er hatte gerade seine Toilettensachen eingepackt. Sie schienen aus den gleichen Regierungsvorräten zu stammen wie
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