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Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth

Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth

Titel: Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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Mittelpunkt der sich drehenden Welt.
    Sie war ein Sonnenfalke, ihre Augen waren zehnmal stärker als die eines Menschen, ihre Ohren eingestellt auf den entferntesten, schwächsten Schrei.
    Mitten in der Wüste stand ein kahler Baum, um den sich die Welt drehte. Die Welt war eine Wüste aus verwehtem Sand und glattem, nacktem Fels.
    Mit ihren scharfen Augen entdeckte sie Figuren, die tief in den Sandstein geschnitten waren, so tief, daß die Schatten, die sich durch den niedrigen Stand der Sonne darin sammelten, wie Tinte auf Papier wirkten. Mit ihren scharfen Ohren hörte sie aus dem Baum einen Schrei.
    Ihre Falkenflügel peitschten die Luft, und sie stieg hinab, neugierig auf mehr.
    Der äußeren Form nach war die Gestalt im Baum ein Mensch, ein noch nicht ganz erwachsenes Mädchen, das in den abgestorbenen Ästen hing. Man hatte sie mit zersplitterten Arm- und Schenkelknochen an den Baum genagelt. Ihr Bauch war vom Brustbein bis zum Nabel aufgeschlitzt, und die Höhle war leer, düster und rot.
    Ihr Gesicht war oval. Die Brauen über den feuchten, braunen Augen wirkten wie breite Tuschestriche. Ihr ungewaschenes braunes Haar hing in dünnen Strähnen über ihre blassen Wangen. Sie drehte sich um und hielt Spartas Blick mit ihren wäßrigen Augen gefangen.
     
    Ich wähnte ich hing in dem windigen Baum
    Hing dort neun volle Nächte
    Mit dem Speer ward ich verwundet,
    Man opferte mich Othin
    Am Baum, dessen Wurzeln
    vielleicht niemand jemals kennen wird …
     
    Die Stimme war nicht die eines nordischen Gottes, sondern die einer Frau, kräftig und tief – nicht die des Mädchens im Baum, sondern von einer Frau reich an Jahren und Erfahrung.
     
    Ich lernte die Runen,
    unter Schreien lernte ich sie …
     
    Das Gesicht drehte sich verzerrt zu ihr hoch und schmolz. In den Augen flackerte Licht, und als es nachließ, wurden sie bleich. Die dünnen Lippen waren leicht geöffnet, und das dunkle Haar war so hell geworden wie Sand.
     
    Dann begann ich zu gedeihen und Weisheit zu erlangen
    Ich wuchs und mir ging es gut
    Jedes Wort führte mich zum nächsten
    Einer Tat folgte die nächste
     
    Jetzt hatte sich die Bauchwunde des Mädchens mit einer violetten Narbe verschlossen, aber sie war gealtert, und alterte immer noch unter großen Schmerzen. Ihre Augen durchbohrten Sparta mit ihrem Licht.
    Sparta war voller Angst und suchte mit ihren Flügelspitzen den Wind, fand ihn und stieg in den rosigen Himmel. Die Runen waren überall, ringsum und unter ihr, sie waren in die polierte Steinwüste geritzt. Wenn sie die Welt lange genug anhalten könnte, könnte sie sie lesen …
    Sie stieg höher und begann den schmerzhaften Aufstieg – bis in den Wachzustand. Sie befand sich allein im Cockpit des Marsgleiters. Die Sonne stand schon tief im Westen, und die scharfe, dünne Sichel von Phobos schob sich daran vorbei in den Himmel.
    Der Mond mit dem Namen Angst.
    Sparta blieb einen Augenblick regungslos liegen, ohne ihre Angst zu bekämpfen. Sie wehrte sich nicht dagegen und wußte, daß sie bald sterben konnte. Sie gab sich völlig ihrer Todesangst hin.
    Nachdem sie sie akzeptiert hatte, ließ sie sie allmählich abklingen. Dann endlich konnte sie sich wieder den Notwendigkeiten des Lebens zuwenden.
    Sie probierte die Schalter der Luftpumpen aus und stellte fest, daß sie noch funktionierten. Aber sie hatte die Luft bereits aus der Kabine abgesaugt – wieso hatte sie das vergessen? –, und ihr Anzug war noch versiegelt. Als sie diesmal nach der Kabinenverriegelung griff, waren ihre Bauchschmerzen nur noch ein Zwicken.
    Sie stolperte hinaus auf den steilen Abhang aus Asche. Der Wind blies aus Westen mit gleichmäßigen 20 Kilometern in der Stunde. Sie sah, daß die Flügel vom Rumpf getrennt und ordentlich am Boden festgemacht worden waren.
    Das Konstruktionsprinzip des Marsgleiters war deutlich zu erkennen. Sie hatte keinen Zweifel, ihn wieder zusammensetzen zu können – dafür war er schließlich konstruiert worden. Aber bevor sie etwas unternahm, mußte sie herausfinden, was schiefgegangen war. Sie ging zur Instrumentenklappe am Rumpf und öffnete sie.
    Mit ihrem blitzschnellen Macrozoomauge verfolgte sie die sichtbaren Umrisse der Zerstörung, die verschmorten Mikroverbindungen der winzig kleinen Massivschaltungen.
    Man hatte eine elektromagnetische ›Spannungsbombe‹, einen Stromstoßgenerator, in den Angleicher des Autopiloten geklemmt, wie sie ihn nur einmal zuvor in einem Sabotagekurs der Raumkontrollbehörde gesehen

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