Codename: Sparta - 5 - Der Jupiter-Diamant
durchtrainierte, etwas seltsam gebaute ältere Mann.
In der Eile achtete sie nicht auf das leise Poltern des Steuersystems der Kapsel. Da sie sich nicht entsprechend vorbereitet hatte und gegenwärtig keinerlei Interesse an schematischen Darstellungen zeigte, konnte sie unmöglich wissen, daß das Flugbahnprogramm für diesen Augenblick keine Kurskorrektur vorgesehen hatte.
»Es ist soweit«, sagte Sparta. Seit Mays und Marianne zu Io aufgebrochen waren, hatte Sparta die mit Lichtpunkten gesprenkelte Dunkelheit des AVKS unsicher gemacht, des automatisierten Verkehrskontrollsystems für die Umgebung des Jupiter der Raumkontrollbehörde, wo auf grünen Bildschirmen und mittels vibrierender Sensoren jede Bewegung im Jupiterraum verfolgt wurde.
»Was meinen Sie damit, Inspektor?« wollte eine junge deutsche Fluglotsin wissen, deren blonder Bürstenhaarschnitt ebenso kantig leuchtete, wie die Schulterstücke ihrer blauen Uniform. Mit hörbarer Geringschätzung fügte sie hinzu: »Keine Abweichung in der Flugbahn der Touristenkanister erkennbar.«
Für dich vielleicht nicht, dachte Sparta, laut sagte sie nur: »Bitte beobachten Sie weiter, und warten Sie ab. Ich alarmiere inzwischen unser Schnellboot.«
Fünf Minuten später entdeckte die Lotsin eine winzige Kursabweichung des Moon Cruisers, die aber immer noch innerhalb der Fehlertoleranz des Beobachtungssystems lag. Sparta nahm derweil ein Gespräch auf ihrer persönlichen Leitung entgegen.
»Sie haben sich einen denkbar ungünstigen Augenblick ausgesucht, Ellen«, knurrte der Commander sie an.
»Tut mir leid, Sir«, sagte sie vergnügt. »Habe ich Sie auf der Toilette erwischt?«
»Sie haben mich erwischt, als ich gerade dabei war, eine Schmuggelaktion in von Frischs Wohnung aufzuzeichnen. Jetzt muß ich alles den örtlichen Behörden überlassen.«
»Um so besser für die Öffentlichkeitsarbeit der Raumbehörde. Ich brauche Ihre Flugerlaubnis für das Schnellboot, um zu Amalthea zu fliegen, AVKS. Die Mannschaft ist bereits auf den Beinen, und ein Shuttle wartet nur darauf, mich nach oben zu bringen.«
»Also gut, ich werde Ihre Vorbereitungen absegnen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir trotzdem zu verraten, was eigentlich los ist? Falls einer meiner Vorgesetzten mich danach fragt.«
»Alles deutet darauf hin, daß Mays etwas im Schilde führt.«
»Was? Schon gut, ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen.«
»Es wäre besser, Sie blieben auf Ganymede, Sir. Und geben uns Rückendeckung.«
Er mußte lachen. »Dafür bin ich in meinem Alter wohl gerade noch gut genug.« Er klang müde, anders als sonst.
»Kopf hoch, Boß. Noch ist der Krieg nicht gewonnen.«
Die Zeit im Moon Cruiser verstrich unbemerkt.
»Du schläfst ja gar nicht«, zischte Marianne.
Mays öffnete die Augen. »Ganz im Gegenteil, Liebes«, sagte er nur wenig schwungvoller als gewohnt. »Du regst mich zu sehr an.«
»Du glaubst doch wohl nicht etwa, daß ich mit dir schon fertig bin.«
»Oh, das … will ich nicht hoffen.« Er zögerte. »Aber ich bin egoistisch. Ich mag die Abwechslung.«
»Du machst mich neugierig.« Ihre Stimme war eine Mischung aus Schnurren und Knurren.
»Ja. Ich meine, wir wollen doch nicht die Gelegenheit verpassen, einen Blick auf Europa zu werfen – wir werden uns ihm in etwa einer Stunde nähern.« Als er sah, wie sich ihr Gesichtsausdruck merklich abkühlte, fügte er hastig hinzu: »Schließlich will ich dich in aller Ruhe genießen können.«
Ihr Gesicht entspannte sich wieder. Er wies sie nicht eigentlich ab, außerdem erkannte sie, daß sie ein paar Zugeständnisse an … sein reifes Alter machen mußte. »Aber müssen wir uns dafür wieder ganz anziehen? Gibt es irgendeinen Grund dafür, diese muffigen Sachen in unserem kleinen, gemütlichen Blechcontainer zu tragen?«
Er betrachtete sie in dem warmen Jupiterlicht vom Bildschirm, ihre makellose Haut, ihre üppigen Kurven und das glänzende, schwarze Haar, das in der Schwerelosigkeit schwebte, und dann seinen eigenen Körper, der vom Alter schon gezeichnet war. »Es gibt keinen Grund, warum du das tun solltest, meine Erscheinung allerdings …«
»Ich will dich ansehen.«
»Aber ich will mich nicht sehen.« Er fischte seine schwebenden Hosen aus der Luft und machte sich daran, sie umständlich überzustreifen.
Marianne sah einen Augenblick lang zu, dann seufzte sie vielsagend und griff nach ihrem Overall. »Ich nehme an, dann muß ich mich auch anziehen. Ich bin nicht gerne im Nachteil.
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