Codex Alera 06: Der erste Fürst
blieb.
Nun, zumindest vergleichsweise sicher. Die Geschwindigkeit der Schiffe war höher als jede, von der Tavi abgesehen vom eigentlichen Fliegen je gehört hatte. Sie hatten in den ersten drei Stunden eine Strecke zurückgelegt, die einem vollen Tagesmarsch einer Legion auf einer Dammstraße entsprach. Bei diesem Tempo konnte ein Stück nackter Erde im Eis den Kiel eines Schiffs abrupt zum Stoppen bringen, so dass es sich durch seinen eigenen Schwung längs überschlug. Die Tiberius war tatsächlich schon auf solch einen nackten Fleck gestoßen, an dem das Eis nicht die Zeit gehabt hatte, ordentlich auszuhärten.
Tavi hatte in hilflosem Entsetzen aus hundert Schritt Entfernung beobachtet, wie das Schiff ins Wanken geraten war, während seine Flügelkufen abbrachen. Es hatte sich zu überschlagen begonnen, die Masten knickten wie Zweige um und die Planken barsten in Wolken aus Holzsplittern, während die Mannschaft vor die zermalmende Masse des todgeweihten Schiffs und mitten hinein geschleudert worden war.
Drei andere Schiffe waren ebenfalls umgestürzt, vom Wind oder aufgrund einer falschen Ausrichtung der Segel umgerissen, oder einfach aus schierem Pech. Wie die Tiberius waren sie in Stücke gegangen. Tavi hielt sich für ein bisschen feige, weil er erleichtert war, dass er es zumindest nicht mit eigenen Augen hatte geschehen sehen: Wenn ein Eissegelschiff bei voller Geschwindigkeit umstürzte, überlebte niemand die Havarie. Canim und Menschen wurden einfach zerquetscht und zerbrochen wie schlaffe, nasse Puppen.
Jetzt markierten die Flieger jeden Punkt, der noch so einen Unfall hätte verursachen können. Es war eine einfache Vorsichtsmaßnahme, die sie bereits um zwei weitere tödliche Bodenstellen herumgeführt hatte. Jeder Dummkopf hätte im Voraus daran denken können, aber Tavi hatte es nicht getan – und die verlorenen Leben der Besatzung vierer Schiffe, Canim wie Aleraner, lasteten nun auf seinem Gewissen.
»Der Weg bleibt glatt«, rief Tavi, als er den nächsten grün beflaggten Speer hinter dem ersten bemerkte. »Behaltet die Geschwindigkeit bei.«
»Ja, ja, befiehl nur, dass sie mit dem weitermachen, was sie ohnehin schon tun«, sagte Maximus gedehnt. Er stand ein paar Fuß weiter an die Reling gelehnt. »Na ja, es heißt ja auch, man soll nie einen Befehl geben, von dem man weiß, dass er nicht befolgt werden wird.«
Tavi warf Max einen gereizten Blick zu und drehte sich wieder nach vorn um. »Willst du irgendetwas?«
»Wie geht es deinem Magen?«, fragte Max.
Tavi biss die Zähne zusammen und starrte hinaus auf das Land, das vor ihnen lag. »Gut. Es geht ihm gut. Ich glaube, was mich wirklich fertigmacht, ist dieses langsame Schwanken.« Sie trafen auf eine Vertiefung im Eis, und das ganze Schiff sackte ab und erhob sich dann schlagartig in die Luft, als seine Kufen sich für einen Sekundenbruchteil tatsächlich vom Eis lösten. Tavis Fersen flogen hoch, und nur die Tatsache, dass er sich an den Sicherheitstauen festhielt, bewahrte ihn vor einem schweren Sturz aufs Deck.
Sein Magen gurgelte und verdrehte sich. Eine der schönen Begleiterscheinungen des Aufenthalts am Bug bestand darin, dass die Segel des Schiffs ihn vor Blicken vom Heck verbargen. Er hatte das bisschen Frühstück, das er zu sich genommen hatte, schon über die Reling wieder von sich gegeben, ohne dass irgendjemand etwas bemerkt hatte. Und da die Schleiche den beiden Schiffskolonnen, die in ordentlichen Reihen hinter ihnen hersegelten, vorausfuhr, wurde der Ruf der Unbesiegbarkeit, der dem Haus Gaius anhaftete, aufs Beste gewahrt.
»Siehst du?«, würgte Tavi einen Augenblick später hervor. »Kleine Hügel wie der da machen keine Schwierigkeiten.«
Max grinste lässig. »Demos hat mich heraufgeschickt. Er schlägt vor, dass wir in der nächsten Stunde rasten, um etwas zu essen. Seine Holzwirker werden müde.«
»Wir haben keine Zeit«, sagte Tavi.
»Wir werden noch reichlich Zeit haben, unsere Schiffe in winzige Stücke Feuerholz zu zerlegen, bevor wir Phrygia erreichen«, sagte Max. »Es hat keinen Sinn, alles am ersten Tag erledigen zu wollen.«
Tavi schenkte ihm einen schiefen Blick. Er holte tief Atem, dachte nach und nickte dann. »Na gut. Demos soll der Flotte nach seinem Ermessen das Signal geben, zum Halten beizudrehen.« Er starrte nach vorn und kniff die Augen gegen den grellen Schein des Tageslichts auf Eis und Schnee zusammen. »Wie weit sind wir gekommen?«
Max hob die Hände, wirkte eine Weitsehlinse
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