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Codex Alera 06: Der erste Fürst

Codex Alera 06: Der erste Fürst

Titel: Codex Alera 06: Der erste Fürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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welche Zerstörungskraft den Mächten innewohnt, an denen du dir da zu schaffen machst«, sagte Alera ruhig, »überhaupt keine Ahnung.«
    Tavi stand in seinem Kommandozelt und sah auf eine große Karte des Reichs hinab, die einen ganzen Tisch bedeckte und an den Ecken von kleinen weißen Steinen gehalten wurde. Die Luft summte von der Anspannung des Windwirkens, das verhinderte, dass ihre Stimmen nach draußen drangen. Die Tunika von Tavis Paradeuniform lag ordentlich gefaltet auf dem Feldbett in der Ecke, bereit für sein Abendessen mit Kitai. »Dann solltest du mich vielleicht darüber aufklären«, murmelte er.
    Alera sah aus wie immer – ruhig und heiter, distanziert, wunderschön und grau gekleidet, während ihre Augen eine metallisch schimmernde Edelsteinfarbe nach der anderen annahmen. »Es wäre schwierig, das so recht zu erklären, selbst dir. Nicht in der Zeit, die noch bleibt.«
    Tavi zog bei der Bemerkung eine Augenbraue hoch und musterte Alera aufmerksamer. Der Elementar in Menschengestalt faltete die Hände in der Haltung einer wohlanständigen aleranischen Matrone vor sich. Hatten sie gezittert? Wirkten die Fingernägel … unregelmäßig? Gezackt, als ob Alera darauf herumgekaut hätte?
    Tavi kam zu dem Schluss, dass heute Abend irgendetwas an ihr seltsam war.
    »Wenn es keine zu großen Umstände macht, könntest du mir ja vielleicht erklären, welche Art von Schwierigkeiten ich mir womöglich einhandle, wenn ich den Plan in die Tat umsetze.«
    »Ich verstehe nicht, warum«, antwortete Alera. »Du wirst es ja doch tun.«
    »Vielleicht.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Was du verlangst, wird gewisse Kreisläufe auslösen. Das Endergebnis dieser Zyklen könnte das langsame Gefrieren der Welt sein. Gletscher, die Jahr für Jahr weiterwachsen und langsam das Land, das vor ihnen liegt, verschlingen.«
    Tavi hatte gerade ein Glas mit verdünntem Wein angehoben und einen Schluck genommen, an dem er nun fast erstickte. »Verfluchte Krähen«, krächzte er. »Wann?«
    »Nicht zu deinen Lebzeiten«, sagte Alera, »oder zu den Lebzeiten deiner Kinder und Kindeskinder. Vielleicht nicht zu Lebzeiten deines gesamten Volks. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in fernerer Zukunft, als deine schriftlichen Aufzeichnungen dich überleben werden. In tausend Jahren, zweitausend, dreitausend oder zwanzigtausend. Aber irgendwann wird es geschehen.«
    »Wenn ich nicht handle«, sagte Tavi, »werden die Vord mein Volk vernichten, bevor es auch nur dieses Jahr schneit.« Er schüttelte den Kopf. »Die Aleraner in Tausenden von Jahren werden dann nie auch nur die Gelegenheit haben zu existieren – und du wirst nie jemandem erzählen können, dass du es ihnen ja gleich gesagt hast. Die hypothetischen Aleraner von Morgen werden auf sich selbst aufpassen müssen.«
    Er rechnete halb damit, dass sie über seine Bemerkung lächeln würde. Es war die Art von stillem, intellektuellem Humor, die Alera zu schätzen schien. Doch sie reagierte nicht.
    »Du wirst uns doch helfen?«, fragte er.
    Sie neigte langsam den Kopf. »Natürlich.«
    Tavi trat auf einen Schlag näher an sie heran, nahm ihre gefalteten Hände und hob sie an. Das Herz schlug ihm bis zur Kehle, als er es tat. Die Elementarin, die vor ihm stand, war ein Wesen von beinahe unvorstellbarer Macht. Wenn sie ihm seine Handlungsweise übelnahm …
    Aber sie stand einfach da und sah ihn mit ruhiger Miene an. Er ließ den Blick von ihren Augen zu ihren Fingerspitzen wandern. Sie wirkten zerfetzt, als hätte ihr Material sich irgendwie aufgelöst, wäre zerkaut worden. Tavi hatte einmal die Leichen von Soldaten gesehen, die während einer Schlacht in einen Fluss gestürzt waren. Die Männer waren ertrunken, und ihre Überreste waren erst nach über einem Tag geborgen worden. Die Fische und anderen Wasserlebewesen hatten sich über sie hergemacht, kleine Fleischstückchen abgebissen und -gerissen. Die Wunden hatten nicht geblutet. Sie waren kalt, reglos und grau geblieben, als wären ihre Körper irgendwie zu Statuen aus weichem Ton geworden.
    Aleras Finger sahen so aus – wie die einer Wachsfigur, an der eine eifrige Maus geknabbert hatte.
    »Was ist das?«, fragte er sie leise.
    »Das Unausweichliche«, antwortete die Elementarin. »Auflösung.«
    Er runzelte einen Moment lang die Stirn, sowohl über ihre Hände als auch über ihre Antwort. Was sie zu bedeuten hatte, wurde ihm erst ein paar Sekunden später klar. Er schaute zu ihr auf und flüsterte: »Du

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