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Codex Mosel

Titel: Codex Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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sollen, aber die ausgerechnet von Gabi vorgebrachten Bedenken, dieser Name könnte zweideutig aufgefasst werden, leuchteten ein.
    Walde konnte die Zeit, die ihm fehlte, nur aufholen, indem er die Mittagspause ausfallen ließ. Zudem überlegte er, ob es ratsam war, seinen Verdauungstrakt vor dem Vortrag zu belasten. Außerdem war ihm schlecht. Er wusste nicht zwischen Lampenfieber und Hunger zu unterscheiden.
    Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es noch eine Stunde bis zum Auftritt war, als Gabi hereinkam, wie immer ohne anzuklopfen.
    »So sieht er aus!« Sie wedelte mit einem Blatt Papier vor seinem Gesicht herum. Walde riss es ihr aus der Hand und legte es vor sich auf den Schreibtisch. Die Darstellung des Mannes darauf unterschied sich von den üblichen Phantomzeichnungen. Neben den dunklen Haaren, dem Oberlippenbart und der dunklen Hornbrille wies das Gesicht unzählige feine Fältchen auf. Die Furche rechts neben der Nase verlieh dem Gesicht einen Ausdruck, als würde ein Lächeln angedeutet. Die Falte in der Mitte des Kinns verlief parallel zu den schmalen Lippen. Schräg über der Nasenwurzel zog sich eine Falte vom Rand der rechten Augenbraue in die hohe Stirn.
    »Nachdem sie die Kartei vergeblich durchgesehen haben und die Phantomzeichnung am Computer sie nicht weiterbrachte, hat Nicolaos eigenhändig eine Zeichnung angefertigt, auf der Uli sofort den Mann erkannte, der bei ihm in der Gerüchteküche die Restauratoren angesprochen hatte.«
    »Er könnte ihnen nach Feierabend von der Baustelle am Dom in die Gerüchteküche gefolgt sein«, sagte Walde und betrachtete eine zweite Variante, auf der der Gesuchte ohne Brille und Schnurrbart vollkommen anders aussah.
    »Die Baustelle wird übrigens von einer privaten Security-Firma bewacht, die nicht permanent anwesend ist, sondern nur Kontrollgänge durchführt.«
    »Wie oft?«
    »Alle paar Stunden.«
    »Aha.«
    »Es geht nur um Werkzeug, ein paar Sack Zement und eine Lkw-Ladung Steine. Die Firma ist nicht für den Dom zuständig.«
    »Und warum wurden dann nicht nur ein paar Steine geklaut?«
    »Sag mal«, protestierte Gabi. »Ich kann auch nichts dafür. Jedenfalls ist das der Typ aus Ulis Gerüchteküche. Die Zeichnung hat Nicolaos handgemalt.«
    »Gezeichnet«, verbesserte Grabbe, der Waldes Büro, ebenfalls ohne anzuklopfen, betreten hatte. »Harry ist damit zum Krankenhaus unterwegs. Dem Domkapitular geht es etwas besser und …«, Grabbe stockte kurz, »… eben hat Hoffmann aus der Pathologie angerufen.«
    »Und?«, fragten Gabi und Walde im Chor.
    »Eigentlich hat er ja aus der Kantine …«
    Waldes Magen schien auf dieses Stichwort gewartet zu haben, um ein langes Wolfsknurren von sich zu geben.
    »Und?«
    »Da wurde was erzählt von einem, der da nebenan in der Kantine, also wo die Leute, die da für lau essen …«
    »Die Pennerküche?«, half Gabi aus.
    »So kann man sie nicht unbedingt bezeichnen, weil …«
    »Okay, wollen wir den politisch korrekten Ausdruck später suchen?«, schlug Walde vor.
    »Also, ein Typ, so einer mit einem religiösen Tick, hat behauptet, einen Wink des Himmels erhalten zu haben.«
    »Den erhoffen sich viele«, sagte Gabi.
    »Ist klar, aber hier ist der Name Andreas gefallen, und da ist Hoffmann stutzig geworden, wegen des Andreas-Tragaltars aus der Domschatzkammer.«
    »Wo?«, fragte Walde.
    »Aus der Domschatzkammer.«
    »Nein, wo ist der Mann jetzt?«
    »Er soll in den Felsen wohnen.«
    »Wie bitte?«
    »Bei St. Jost in den Felsen, bei Biewer. Da soll mal ein Friedhof für Leprakranke gewesen sein.«
    *
    Obwohl Grabbe den Wagen auf der langen Geraden weiter beschleunigte, hörte Walde nur das Heulen des Martinshorns. Er hielt sich das rechte Ohr zu, ans andere drückte er ein Telefon. Seit Minuten versuchte er herauszufinden, wo sich dieser ominöse Friedhof befand.
    Rechts kräuselten Windböen das graue Wasser des Flusses, links am Hang standen kahle Weinbergspfähle mit den noch niedrigen Reben in Reih und Glied. Darüber erhob sich eine mehrere Kilometer lange geschlossene Wand aus rotem Sandsteinfels. Bäume mit gewundenen Stämmen nutzten jeden Spalt.
    Walde rief seinen Freund Jo an, einen Hobbyhistoriker und Weinkenner, der bei der Landwirtschaftskammer als Kommissar für Reblausbekämpfung beschäftigt war. »Hallo Jo, Walde hier.«
    »Ich kenn sonst niemanden, der mich mit Martinshornbegleitung anruft«, antwortete Jo in seinem gemütlichen Bass.
    »Kannst du mir sagen, wo der Friedhof von St. Jost in Biewer

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