Codex Mosel
abgestellt. »Er hat den Andreas-Tragaltar in einer Höhle im Busental gefunden.«
»Klar, gefunden.« Gabi sog schmatzend eine störrische Nudel in den Mund. »Und der heilige Nagel wurde ihm in den Hut geworfen.«
»Der lag oben auf der Sandale des Andreas im Tragaltar, wenn sie denn tatsächlich vom Heiligen Andreas stammt.«
»Wie praktisch.«
Die Bedienung brachte Walde eine Karte. Er bestellte sich nach einem Blick auf die Gläser mit Rotwein einen Espresso.
»Auf dem Nagel wurde ein Fingerabdruck gefunden«, sagte Walde. »Der ist sicher nicht mehr von dem Römer erhalten geblieben, der Jesus ans Kreuz geschlagen hat, und auch nicht von Helena, die ihn mit dem Heiligen Rock und anderen Reliquien nach Trier gebracht haben soll.«
»Also von Veit.«
»Veit hat zufällig beobachtet, wie die Beute in einer Höhle im Busental versteckt wurde«, fuhr Walde fort. »Dann hat er geglaubt, seine Gebete seien erhört worden und hat den ganzen Kram mit in seine Hütte genommen.«
»Was sagt der Staatsanwalt?« Gabis Worte gingen im Mahlgeräusch der Kaffeemaschine unter. Salvo bekam eine riesige Portion serviert, die für mindestens zwei Personen gereicht hätte.
»Hast du gesehen?« Walde deutete diskret mit den Augen zum Nachbartisch.
»Mit Moscardini, das sind kleine Tintenfische, und Zucchini-Estragon-Cannelloni«, las Gabi aus der Speisekarte, »möchte Salvo ebenfalls am liebsten allein sein. Und, was sagt der Staatsanwalt?«
»Staatsanwalt?«
Gabi ließ eine besonders hartnäckige Spaghetti auf den Teller zurückfallen. »Staatsanwalt, Haftrichter, schon mal davon gehört?«
»War nicht nötig.«
»Wie bitte?« Sie ließ ihre Gabel so laut auf den Tellerrand fallen, dass sich Salvo mit prall gefüllten Backen nach ihr umdrehte.
»Ich hab ihn unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt.«
»Du hast was?«
»Es gab keinen Grund, ihn festzuhalten. Die Beute ist gesichert, er hat alles zu Protokoll gegeben, was er wusste. Er hat uns zu dem Fundort im Busental geführt, wo wir die Kutte sicherstellen konnten, in die der Andreas-Tragaltar gewickelt war. Veit muss sich alle zwei Tage melden und darf die Stadt nicht verlassen.«
»Geht die Hütte als fester Wohnsitz durch, und was ist mit dem Einbruch in eure Wohnung?«
Walde bekam den Espresso serviert. Er schüttelte das Tütchen mit dem Zucker auf, bevor er es aufriss und in den Kaffee gab.
»Wurdest du nicht von diesem Veit vor deiner eigenen Haustür attackiert?«
Walde überprüfte mit dem Löffelchen, ob sich der Zucker beim Rühren aufgelöst hatte.
»Was ist mit dieser Drohung, dem Bibelzitat?«
Er bestellte eine Pizza, obwohl er nichts essen wollte, und dazu einen Rosé.
»Die Tür ist aufgehebelt worden.« Gabi fuhr hart mit der Gabel in die Nudeln.
»Sie war auf Kippe gestellt«, sagte Walde. »Gelegenheit macht Diebe.«
»Wenn Doris und Annika zu Hause gewesen wären, wer weiß, was hätte passieren können. Ich verstehe dich nicht.« Gabi schüttelte den Kopf.
Der Rotwein wurde serviert. Erst nachdem er getrunken hatte, erinnerte sich Walde, Rosé bestellt zu haben. Der Wein schmeckte ihm. Er trank das Glas leer und füllte es aus der Karaffe wieder nach. Ein Korb mit Brot wurde an Salvos Tisch gebracht.
»Habt ihr Krach?« Walde deutete hinüber, wo ein weiterer Teller vor Salvo landete.
»Er möchte sich beim Essen nicht unterhalten«, sagte Gabi mit zusammengebissenen Zähnen. »Besonders bei gegrilltem Wolfsbarsch-Filet«, sie schaute wieder in die Karte, »mit gebratenem Tomaten-Risotto und Safran-Gemüse. Ich verstehe euch Männer sowieso nicht mehr.«
»Was hätte es gebracht, wenn wir diesen Veit eingesperrt hätten? Der Mann ist durch irgendwas traumatisiert. Der kann sich nur in geschlossenen Räumen aufhalten, wenn es Fluchtwege gibt. Hätten wir ihn eingesperrt, wäre er spätestens in drei Tagen in der Psychiatrie gelandet.«
»Und so läuft er draußen rum und stellt weiß Gott was an.«
»Der war bisher ein vollkommen unbeschriebenes Blatt.«
»Aber du siehst doch, wie schnell sich so was ändern kann, zu was alles der Kerl in kürzester Zeit fähig war.«
Gabi nahm den Kampf mit den Spaghetti wieder auf. Eros’ CD war zu Ende. Für einen Moment gewannen die Gespräche die Oberhand. Walde hörte, wie am Nebentisch Siggi Baumeister fragte, was Erich Van Veeteren am Nachmittag gemacht habe.
»Ich war in ein paar Antiquariaten«, sagte Erich.
»Und?«, Walde sah, wie Siggi grinste. »Wollte sich Wilsberg dein Auto
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